Verstehen/Nicht-Verstehen. Zum Umgang mit dem Verstehensproblem des Unterrichts
Matthias Proske (Frankfurt/Main)
Das Paper diskutiert die Frage, wie im Unterricht mit der kommunikativen Kontingenz von Verstehensprozessen umgegangen wird.
Im Unterschied zu Theorien, die von der Vorstellung ausgehen, Verstehen liege vor, wenn die Aneignung von Schülern mit den jeweiligen auf die Unterrichtssache bezogenen Vermittlungsabsichten kognitiv übereinstimmen, soll hier an erziehungswissenschaftliche Überlegungen zur pädagogischen Kommunikation im Interaktionssystem Unterricht angeschlossen werden. Deren Prämisse ist die strikte Orientierung an einem kommunikativen und nicht kognitionspsychologischen Verstehensbegriff. Ausgehend von einem kommunikationsbezogenen Verständnis von Unterricht werden zunächst die aus der Interaktionsdynamik resultierenden Kontingenzen von Verstehensprozessen in den Blick gerückt. Gegen normative Vorentscheidungen sollen dann die empirisch vorfindbaren Formen der unterrichtlichen Kontingenzbearbeitung rekonstruiert werden. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Unterscheidung von formal-funktionalem Verstehen (Verstehen ist das, was der Verstehende für Verstehen hält und was auf diese Weise die Fortsetzbarkeit der Kommunikation ermöglicht) und pädagogischem Verstehen (begreifende Aneignung von Informationen durch ein Verstehen der Vermittlungsabsichten des Lehrers).
Das Paper stützt sich empirisch auf Unterrichtsmitschnitte, die zum einen im Rahmen des Forschungsprojektes "Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht. Beobachtungen unterrichtlicher Kommunikation", zum anderen in unterrichtsbezogenen Forschungsseminaren erhoben wurden. Der Forschungsansatz ordnet sich einem qualitativ-interpretativen Paradigma zu, die Transkripte sind sequenzanalytisch ausgewertet worden.