Was verstehen Lehrer unter Rechenschwächen?
Gabi Ricken (Erfurt) & Annemarie Fritz-Stratmann (Essen)
Geht man davon aus, dass Rechenschwächen in schulischen Lernprozessen entstehen, dann müssen das Wissen von Lehrern über und ihre Sensibilität für Schwierigkeiten in diesem Bereich eine Rolle spielen. Gegenwärtig liegen jedoch keine diagnostischen Instrumente vor, um im Fall der Diagnostik von Rechenschwächen gezielt die Bedingung "Lehrer" berücksichtigen zu können. Sieht man von den Wirkungen des "Stereotyps des schlechten Schülers" (Sander, 1997) und den nachgewiesenen Stigmatisierungen ab, ist wenig darüber bekannt, welche impliziten Theorien als unterstützende oder gefährdende Bedingung für die Entstehung von Rechenschwierigkeiten gelten müssen.
Mit dem erarbeiteten Fragebogen soll deshalb geprüft werden, welche Theorien Lehrer bezüglich der Rechenschwäche vertreten und wie differenziert diese sind. Durch die Befragung von Lehrern mit unterschiedlichen Erfahrungen soll es im ersten Ansatz möglich werden, Hinweise auf die Relevanz des Wissens in pädagogischen Kontexten zu erhalten.
Wir nehmen an, dass Erfahrungen im Umgang mit Lernschwierigkeiten (im Vergleich zu wenigen) erstens zu komplexeren Vorstellungen über die Entwicklung von Schwierigkeiten und zweitens zu differenzierteren Beschreibungen führen.
Schriftlich befragt wurden 115 Lehrer aus Regel- und Förderschulen, die sich hinsichtlich ihrer Berufsjahre und des Kennens von Schülern mit Rechenschwächen unterscheiden.
Für die erste Fragestellung wird verglichen, ob sich Lehrererfahrungen in der Ursachenannahme (personenbezogene, aufgabenbezogene, vorschulische, schulische, soziale Bedingungen) sowohl qualitativ als auch quantitativ unterscheiden. Für die zweite Fragestellung werden Aussagen in den gebildeten Lehrergruppen danach verglichen, welche Schwierigkeiten wahrgenommen werden (bestimmte Aufgabentypen, aufgabenübergreifende Probleme, übergreifende Schwierigkeiten wie Gedächtnis, Arbeitsweise, Konzentration u.ä.).