16/12/2011: Jobboom: Atypische Beschäftigung statt Vollzeitjobs
Für die These, dass der Jobboom der letzten Jahre weitgehend von einer Ausweitung atypischer Beschäftigungsformen getragen wird (siehe z.B. 28.10.2010 und 19.07.2011), die oft auch durch Umwandlung unbefristeter Vollzeitjobs entstehen (siehe 12.03.2010 und 04.01.2011), häufen sich die Belege. So meldet die Berliner Umschau unter Berufung auf einen Bericht der Saarbrücker Zeitung, dass die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze in Deutschland seit 2002 spürbar gesunken sei, während atypische Beschäftigung im gleichen Zeitraum deutlich zugenommen habe.
Nach Angaben der Bundesregierung zu einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag sei die Zahl der Personen in Normalarbeitsverhältnissen (unbefristete sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung) zwischen 2002 und 2010 um 465.000 zurückgegangen. Aktuell liege ihr Anteil an allen Erwerbstätigen bei 66 Prozent, während es vor neun Jahren noch 71 Prozent gewesen seien. Atypische Beschäftigung sei dagegen auf dem Vormarsch. Nach Regierungsangaben sei die Zahl der befristeten Jobs im genannten Zeitraum um 43 Prozent gestiegen, die Zahl der Mini-Jobs habe seit 2002 um über ein Drittel zugelegt. Einen deutlichen Aufwärtstrend habe es auch bei den sozialversicherungspflichtigen Teilzeitstellen mit höchstens 20 Wochenstunden gegeben, die um 17 Prozent gewachsen seien.
Bereits gestern hatte der Trierische Volksfreund berichte, dass viele neue Arbeitsplätze nur entstanden seien, weil Vollzeitstellen durch andere Beschäftigungsformen wie zum Beispiel Minijobs verdrängt wurden. Nach einer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ausgearbeiteten Statistik, die der Zeitung vorliege, sei Zahl der Erwerbstätigen zwischen 1992 und 2010 zwar um 2,4 Millionen auf einen Rekordwert von fast 40,6 Millionen gestiegen. Lege man jedoch das Arbeitszeitvolumen zugrunde und rechne es in sogenannte Vollzeitäquivalente, also Vollzeitjobs um, so ergebe sich für den gleichen Zeitraum ein Minus von 1,9 Millionen auf rechnerisch nur noch 32,2 Millionen Vollzeitstellen: „Weniger Arbeitsstunden, aber mehr Beschäftigte - dafür gibt es eine Erklärung: die starke Zunahme sogenannter atypischer Arbeitsverhältnisse“.
Quellen: Berliner Umschau vom 16.12.2011
volksfreund.de vom 15.12.2011
Weiterlesen: Atypische Beschäftigung - Normalarbeit auf dem Rückzug. In: Böckler impuls 20/2011 v. 14.12.2011.