... mit Claudia Glenewinkel
Frau Claudia Glenewinkel, Leiterin der Pressestelle beim Steidl Verlag
Sie sind heute Leiterin der Pressestelle beim Steidl Verlag. Wie hat sich der Weg ergeben?
Nach dem Abitur wusste ich erst einmal überhaupt nicht, was ich studieren sollte. Es gab so viele Möglichkeiten, und ich hatte so viele Interessen. Naturwissenschaften? Literatur? Kunst? Meine Leidenschaft für Literatur zu einem Beruf machen zu wollen habe ich zunächst nicht gewagt und einen kleinen Umweg genommen. Nach dem Magisterabschluss habe ich ein Aufbaustudium in Essen begonnen und im Rahmen dieses Studiums ein Praktikum bei Steidl gemacht, der mich dann mit dem Aufbau der Pressestelle betraute. Weil ich mich aber auch weiterhin intensiv mit Texten beschäftigen wollte, habe ich neben der Pressearbeit Übersetzungen aus dem Englischen lektoriert und auch selbst übersetzt. Inzwischen hat sich diese "Nebenbeschäftigung" zu einem Programmbereich ausgeweitet, den ich verantworte.
Warum haben Sie diese Tätigkeit gewählt?
"Bücher machen" war mein Traumberuf. Da aber die Aussichten im Verlagsgewerbe nicht eben rosig waren (und sind) und ich mich auch für Politik, Medizin, Naturwissenschaften interessiere, hätte ich mir auch eine ähnliche Tätigkeit in einer anderen Branche gut vorstellen können. Ich wollte auf jeden Fall einen Beruf ergreifen, der mich mit Menschen zusammenbringt und Raum lässt für Kreativität.
Steidl ist ein enorm dynamisches Unternehmen, das sich durch flache Hierarchien und eine enorme Wandlungsfähigkeit und Innovationslust auszeichnet. Mir kommt sehr entgegen, dass es hier so international zugeht: aus aller Welt kommen Künstler hierher, um mit und bei Steidl ihre Bücher zu machen. Dass ich hier Presse- und Programmarbeit machen kann ist für mich ein Glücksfall.
Wie kann man sich Ihren Arbeitstag vorstellen?
Spannend, weil ich morgens nur selten weiß, was mich den Tag über erwartet. E-Mails und Telefon bestimmen meinen Arbeitsalltag und Überraschungen gibt es eigentlich immer. Für Konzeptionelles oder die Prüfung von Manuskripten bleibt oft nur am Feierabend oder am Wochenende Zeit. Wenn ich intensiv an Übersetzungen arbeite, fliehe ich gern vor dem Telefon und ziehe mich für ein paar Tage an den heimischen Schreibtisch zurück.
Welche Qualifikationen und Fähigkeiten halten Sie für wichtige Voraussetzungen für die Ausübung Ihrer Tätigkeit?
Idealismus, Kommunikationsfähigkeit, Organisationstalent, Stressresistenz, Sprachgefühl, Spontaneität, Kreativität, Sorgfalt, die Breitschaft, sich ständig Neues zu erarbeiten, intellektuelle Neugier, ein bis zwei Fremdsprachen. Psychologisches Feingefühl und diplomatisches Geschick sind unabdingbar.
Können Sie sich noch zurück erinnern, was die wichtigsten Schritte damals kurz nach Abschluss des Studiums auf Ihrem Weg zum Berufseinstieg waren?
Der wichtigste Schritt war die Aufnahme des Zusatzstudiums in Essen. Dort konnte ich vielfältige praktische Erfahrungen sammeln und zahlreiche Kontakte knüpfen.
Gibt es Ereignisse, mit denen Sie damals während der Bewerbungsphase überhaupt nicht gerechnet haben?
Bestimmt nicht damit, in meinem ersten Verlagspraktikum Günter Grass und sein gerade erschienenes neues Buch auf der Buchmesse zu betreuen. Auch nicht mit so viel Nachsicht des Großautors mit einem Greenhorn. Und noch viel weniger damit, dass mir der Verleger noch auf der Messe eine feste Stelle als Pressesprecherin anbietet.
Welchen Rat können Sie den Göttinger Studierenden mit auf den Weg zum Beruf geben?
Das zu studieren, was den eigenen Interessen und Fähigkeiten entspricht, und sich im Zweifelsfall vor Beginn des Studiums kompetente Beratung holen oder schon einmal einen Blick in die Praxis werfen.
(Lebens)praktische Erfahrungen sammeln und immer wieder über den Tellerrand schauen.
Zielstrebig auf einen Beruf hinarbeiten, aber flexibel und offen genug für Alternativen bleiben.
Vielfältige Interessen pflegen und intellektuell immer neugierig sein.