Dr. Christine Hämmerling
Seit 2024 forsche und lehre ich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im PostDoc der Kulturanthropologie /Europäischen Ethnologie und bin zudem mit der Koordination des Masterstudiengangs, dem Master-Auswahlverfahren und der Master-Studienberatung betraut. Ich bin aktiv in der DGEKW-Kommission Arbeitskulturen, kooperiere regelmäßig mit dem „Peasant Activism Project“ (Perugia) und bin seit 10/2024 Convenor des internationalen Netzwerks „Anthropology and Social Movements“ der EASA (European Association of Social Anthropology). In meiner Forschung interessiere ich mich besonders für „professionelle Authentizität“, für die Grenzen von Arbeit und Nicht-Arbeit, soziale Bewegungen und dafür, welche Rolle Medien (Serien, Smartphones, Kameras) in kontemporären Alltagen zukommt.
Biografisches
In Tübingen und Prag habe ich Empirische Kulturwissenschaft, Geschichte und Soziologie studiert und das Studium mit Auszeichnung abgeschlossen (Sammelband Rromänien 2010; Monografie Freizeit in der Fernsehwerbung 2012).
2010–2014 erarbeitete ich in der KA/EE der Universität Göttingen meine Doktorarbeit über soziale Positionierungen beim Medienhandelen am Beispiel des „Tatort“-Publikums (Open Access-Monografie 2016).
2014–2023 war ich Oberassistentin am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft der Universität Zürich, wo ich zunächst zu Kameras bei politischen Demonstrationen (Aufsätze “Und Action!” 2017; Vertrauen und Glaubwürdigkeit 2017; Videoaktivismus 2019), Ego-Dokumenten (Mitherausgabe 2018) und dann zu Wissensmedien des Raums forschte (Mitherausgabe 2020).
Ich lehrte zudem in Lichtenstein, Innsbruck und Göttingen. 2022/23 vertrat ich in Hamburg eine Juniorprofessur.
Projekte
Mit vier Studien über Vertrauen und Authentizität in Professionalisierungsprozessen analysiere ich die kulturelle Aufwertung von Präsenzerfahrungen in Anbetracht einer digitalisierten, ökonomisierten Welt:
Ein erstes Projekt fokussierte soziale Bewegungen zwischen Ehrenamt und Beruf: NGOs, die ihr Fundraising professionalisiert und es aus dem Ehrenamt entbunden haben, arbeiten gegen einen Vertrauensverlust an: Trotz eines digitalen Spendenmarktes setzen viele auf Präsenz: Sie gestalten ihr Fundraising mit Face-to-Face-Kampagnen und einer auf Authentizität setzenden Performanz (Aufsätze DialogerInnen als Mittler 2019; Vertrauen, Versprechen, Authentizität 2023; Professionelle Authentizität 2023).Das beeinflusst das Selbstverständnis der angestellten Dialoger:innen wie der Ehrenamtlichen und die Nachhaltigkeit sozialer Bewegungen (Aufsätze Conflicting Morals 2023; A sustainable place of work? vorauss. 2024; Mitherausgabe Utopias of Sustainability vorauss. 2024).
Ein zweites Forschungsfeld nahm Social Media in den Blick: So setzen Influencerinnen auf YouTube ihre Schwangerschaft ein, um Vertrauensverlusten entgegenzuwirken, wenn sie populärer und damit professioneller werden und ihre Authentizität angezweifelt wird, zumal sie mit einer großen Zuschauerschaft auch für Werbende interessant sind. Die werdenden Mütter stilisieren sich folglich narrativ und stilistisch als besonders authentisch, nahbar und körperlich-präsent (Einbezug in Zukunftspläne 2023).
Während Professionalität gewöhnlich Vertrauensbeziehungen infragestellt, wirkt sie bei Straßenmagazinen, die von wohnungslosen Personen vertrieben werden, bestärkend: Verkaufende positionieren sich hier als Dienstleister:innen, tragen aber auch das Stigmas “Wohnungslose:r” mit. Dieses Changieren zwischen verschiedenen sozialen Positionen steht in meiner aktuellen Forschung im Fokus (Aufsatz Wer darf für wohnungslose Menschen sprechen vorauss. 2025). Die face-to-face vermittelte Erfahrung, selbst Wohnungslosigkeit erlebt zu haben, wirkt zugleich ab- wie aufwertend; immer wird aber eine Authentifizierungsarbeit nötig, um die professionelle Verortung zu halten (Wirklich wissen wie das ist vorauss. 2025).
Eine ethnografische Untersuchung zu Versuchen von Privatpersonen wie von Lehrkräften und Erzieher:innen, auf die Nutzung von Smartphones einschränkend einzuwirken, stellt ein viertes Forschungsfeld dar, das sich an meine Studien anschließt, indem es ebenfalls nach der Bevorzugung von Präsenzerfahrungen angesichts einer digitalisierten Welt fragt. Hier untersuche ich Tastbewegungen zwischen Medienpositivität, -kritik und -verzicht sowie Narrative des richtigen Maßes (Raus aus dem Netz? 2025).