24/05/2012: Starker Anstieg der Arbeitsarmut seit den Hartz-Reformen

Seit einiger Zeit schon lässt sich eine Zunahme von Arbeitsarmut in Deutschland beobachten (siehe z.B. 20.04.2011 und 02.11.2011). Nun kommt der Sozialwissenschaftler Eric Seils nach einer Auswertung von aktuell verfügbaren Zahlen aus der EU-weiten Erhebung von Armutsdaten zu dem Ergebnis, dass sich seit den Arbeitsmarktderegulierungen durch die rot/grünen Hartz-Reformen die Armut bei Erwerbstätigen und Arbeitslosen in Deutschland stärker ausgebreitet hat als in allen anderen EU-Ländern.

Wie die Hans-Böckler-Stiftung (HBS) in einer Pressemitteilung zu der Untersuchung bekannt gab, habe Seils sich auf Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat bezogen. Danach seien im Jahr 2009 in Deutschland 7,1 Prozent der Erwerbstätigen von Arbeitsarmut betroffen gewesen. Das heißt, ihnen habe weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens zur Verfügung gestanden. Im Vergleich zu 2004 sei der Anteil der "Working Poor" um 2,2 Prozentpunkte gestiegen. Damit habe die Arbeitsarmut in Deutschland deutlich stärker zugenommen als in allen anderen EU-Staaten (außer Spanien). Im Durchschnitt der Gemeinschaft sei die Armutsquote unter Erwerbstätigen nach Eurostat nur um 0,2 Prozentpunkte gewachsen.

Obwohl in diesem Zeitraum auch die im Durchschnitt deutlich schlechter bezahlten atypischen Beschäftigungsformen stark zugenommen hätten, könne diese Entwicklung nicht allein für den Anstieg der Arbeitsarmut verantwortlich gemacht werden. Nach Aussage Seils ließen die Daten vielmehr den Schluss zu, dass die Entwicklung der Arbeitsarmut nicht durch wenige, isolierte Beschäftigungsformen getrieben werde, sondern gleichsam die Breite des Arbeitsmarktes erfasst habe.


Quelle: Pressemitteilung der HBS vom 24.05.2012

Weiterlesen:
Armut: Mehr Working Poor in Deutschland. In: Böckler impuls 9/2012

Seils, E. (2012): Beschäftigungswunder und Armut – Deutschland im internationalen Vergleich. Reihe: WSI Report, Nr. 7, Düsseldorf.