Presseinformation: Unumkehrbarkeit turbulenter Strömungen

Nr. 305/2014 - 10.12.2014


Fakultät für Physik verabschiedet Absolventen – Preise für Lehre und Studium


(pug) Die Fakultät für Physik der Universität Göttingen lädt am Freitag, 12. Dezember 2014, zum „Dies Physicus“ ein. Im Rahmen der öffentlichen Festveranstaltung werden 108 Absolventinnen und Absolventen des Abschlussjahrgangs 2014 verabschiedet. Die Dr. Berliner-Dr. Ungewitter-Stiftung zeichnet die beiden besten Dissertationen des laufenden Wintersemesters aus. Darüber hinaus würdigt der Jan Peter Toennies-Physikpreis die beste experimentelle Dissertation aus dem Bereich der Materieforschung. Außerdem wird die Robert Wichard Pohl-Medaille für die beste Vorlesung des Sommersemesters 2014 verliehen. Anschließend hält Dr. Marc Hofmann vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung einen Vortrag zum Thema „Rosetta – Das Abenteuer geht weiter“. Der „Dies Physicus“ beginnt um 14.30 Uhr in der Fakultät für Physik, Friedrich-Hund-Platz 1, Hörsaal 1. Der Vortrag von Dr. Hofmann beginnt um 16 Uhr und findet ebenfalls im Hörsaal 1 statt.

Die jeweils mit 1.000 Euro dotierten Promotionspreise der Dr. Berliner-Dr. Ungewitter-Stiftung erhalten Dr. Jennifer Jucha und Dr. Boris Lemmer. Dr. Jucha untersucht in ihrer Dissertation die zeitliche Unumkehrbarkeit turbulenter Strömungen und deren Einfluss auf Transportprozesse. Fügt man einer Flüssigkeit Energie zu, wie zum Beispiel durch die Bewegung eines Löffels in einer Tasse Kaffee, werden zunächst große Wirbel erzeugt. Diese Wirbel zerfallen in kleinere Wirbel und übergeben dabei ihre Energie fast vollständig. Nur ein kleiner Teil geht dabei in Hitze verloren. Dieser Prozess wiederholt sich viele Male und je kleiner die Wirbel werden, desto höher ist der Anteil der in Hitze umgewandelt wird. Durch den Verlust der Wärmeenergie ist der Prozess unumkehrbar. Diese Unumkehrbarkeit spiegelt sich auch in Transportprozessen wider, die in der turbulenten Strömung stattfinden – wie beispielsweise beim Vermischen von Milch und Kaffee. Bisher war jedoch unklar, wie dies mit der beschriebenen Energiekaskade zusammenhängt. In ihrer Arbeit nutzte Dr. Jucha theoretische und experimentelle Methoden, um den Zusammenhang zwischen der Energiekaskade und dem Teilchentransport auf makroskopischer Ebene aufzuzeigen und analytisch zu beschreiben. Die Ergebnisse helfen, turbulente Strömungen und ihre nichtlinearen internen Wechselwirkungen besser zu verstehen. Die Arbeit wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Eberhard Bodenschatz in der Abteilung „Hydrodynamik, Strukturbildung und Biokomplexität“ am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation im Rahmen der International Max Planck Research School „Physics of Biological and Complex Systems“ durchgeführt.

In seiner Dissertation untersuchte Dr. Lemmer die Eigenschaften und Wechselwirkungen des so genannten „Top-Quarks“. Es ist nicht nur das schwerste Elementarteilchen, sondern auch mit lediglich etwa 10 hoch -25 Sekunden das kurzlebigste. Die Tatsache, dass es so schnell zerfällt, wird vom Problem zum Vorteil. Quarks existieren nicht als freie Teilchen, sondern sind nur im Verbund beobachtbar. Das erschwert die Vermessung ihrer individuellen Eigenschaften. Das Top-Quark jedoch zerfällt, bevor es mit seiner Umgebung wechselwirken kann. Dabei überträgt es seine Eigenschaften auf seine Zerfallsprodukte. Dieser Umstand hat es Dr. Lemmer erlaubt, die Zerfallsprodukte von Top/Antitop-Quark-Paaren, die am Forschungszentrum CERN im Jahr 2011 produziert und mit dem ATLAS Detektor vermessen wurden, zu analysieren. Durch die Rekonstruktion der Zerfallsprodukte und ihrer Winkelverteilung konnte er Rückschlüsse über die Spins der Top- und Antitop-Quarks und ihre Korrelation schließen. Für diese Präzisionsmessung setzte er neue, eigens entwickelte Rekonstruktionsmethoden zur expliziten Quark-Identifikation erfolgreich ein. Die Arbeit wurde in der von Prof. Dr. Arnulf Quadt geleiteten Forschungsgruppe „Hadron-Collider-Physik am ATLAS Experiment“ am II. Physikalischen Institut der Universität Göttingen durchgeführt.

Die Robert Wichard Pohl-Medaille für kontinuierlich herausragende Lehrleistungen erhält Prof. Dr. Stefan Kehrein vom Göttinger Institut für Theoretische Physik. Sein vielfaches Engagement in der Lehre in den vergangenen Semestern spiegelt sich auch in durchgehend sehr guten Evaluationen wider. Die Preise der Dr. Berliner-Dr. Ungewitter-Stiftung für ausgezeichnete Absolventinnen und Absolventen des Physik-Masterstudiengangs gehen in diesem Semester an Alexander Eggemeier, Georg Jahn, Tim Lichtenberg, Andreas Mayer, Charlotte Rothfuchs, Malte Schröder und Benjamin Willenberg.

Der Jan Peter Toennies-Physikpreis in Höhe von 1.000 Euro wird an Dr. Max Gulde verliehen. Im Rahmen seiner Promotion hat er eine Messapparatur entwickelt, die es ermöglicht, ultraschnelle strukturelle Änderungen auf der atomaren Skala zu untersuchen. In der neuen Technik werden zeitlich sehr kurze Elektronenpulse mit geringer kinetischer Energie an Oberflächen gestreut. Speziell durch die Anregung von nanometrisch scharfen Metallspitzen durch ultrakurze Laserpulse konnte somit die bisherige Zeitauflösung in diesem Energiebereich um mehrere Größenordnungen verbessert werden. Mit Hilfe dieser Methode ist es Dr. Gulde erstmals gelungen, den Schmelzvorgang einer molekular dünnen Schicht eines Polymerkristalls zeitlich und räumlich detailliert aufzulösen und zu beschreiben. Dieser neue experimentelle Ansatz erlaubt die zeitaufgelöste strukturelle Untersuchung bisher gar nicht oder nur sehr eingeschränkt zugänglicher Systeme wie Oberflächen, Grenzflächen oder atomar dünner Filme und ist besonders für das Verständnis von Nanomaterialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften von erheblicher Bedeutung. Dr. Gulde hat seine Dissertation in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Claus Ropers am IV. Physikalischen Institut der Universität Göttingen angefertigt und wurde dabei durch ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert.

Kontaktadressen:
Zur Absolventenfeier:

Dr. Yvonne Lips
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Physik – Studiendekanat
Telefon (0551) 39-13306
E-Mail: yvonne.lips@physik.uni-goettingen.de

Zum Promotionspreis der Dr. Berliner-Dr. Ungewitter-Stiftung
sowie zum Jan Peter Toennies-Physikpreis:

Prof. Dr. Marcus Müller
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Physik – Institut für Theoretische Physik
Telefon (0551) 39-13888
E-Mail: mmueller@theorie.physik.uni-goettingen.de