Presseinformation: Fossile Tiefsee-Schwämme ähneln heutigen Schwammgemeinschaften

Nr. 284/2015 - 19.11.2015

Deutsch-chinesisches Forscherteam untersucht rund 445 Millionen Jahre alte Sedimente

(pug) Fossilien und Sedimente aus mehreren tausend Metern Meerestiefe sind extrem selten erhalten. Die Vielfalt von Leben in diesen tiefen Zonen und seine erdgeschichtliche Entwicklung sind daher kaum erforscht. Einem deutsch-chinesischen Forscherteam unter Beteiligung der Universität Göttingen ist es nun gelungen, in der südchinesischen Provinz Anhui rund 445 Millionen Jahre alte Schiefersedimente zu untersuchen. Dabei stießen die Forscher auf fossile Schwammgemeinschaften, die damals aus großer Meerestiefe in höher gelegene Zonen eingewandert und zudem den heutigen Tiefseeschwämmen sehr ähnlich sind. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen.

Die große Eiszeit vor rund 445 Millionen Jahren führte zu gravierenden ökologischen Veränderungen und einem massenhaften Aussterben des marinen Lebens. Mit Beginn der sogenannten Erholungsphase wanderten Tiefseeschwamm-Gemeinschaften in die deutlich höher gelegenen Schelfzonen ein. „Wir vermuten, dass die Schwämme dem nun sauerstofflosen und schwefelhaltigen Tiefsee-Wasser entflohen sind“, erklärt der Göttinger Geobiologe Prof. Dr. Joachim Reitner. An dem neuen Ort wurden die Schwämme schnell mit Trübeströmen aus feinem Ton überzogen. Diese Prozesse führten zu einer Konservierung in der untersuchten Sedimentschicht, in der die Forscher erstmals in China fossile Tiefsee-Schwämme nachwiesen.

Die Fossilien weisen eine große Übereinstimmung mit heutigen Tiefsee-Schwammgemeinschaften auf. Mit einem Anteil von 60 Prozent dominieren sehr fragile Schwämme, die zu den Glasschwämmen gezählt werden und die für tiefe Meeresbereiche typisch sind. Einige dieser Formen weisen morphologische Übereinstimmung mit den modernen Rossella-Typen auf, die häufig in der antarktischen Tiefsee vorkommen. Der moderne Charakter zeigt sich auch bei der anderen großen Schwammgruppe, den Hornkieselschwämmen.

„Die große Übereinstimmung zeigt, dass die ökologischen Zonen der Tiefsee extrem stabile Verhältnisse aufweisen. Damit erklärt sich auch die langsame Evolution der Organismengemeinschaften“, so Prof. Reitner. „Nach der vollständigen Regenerierung der ökologischen Verhältnisse verschwanden die Schwämme wieder in die tiefen Zonen jenseits von 4.000 Metern. Solche temporären Verschiebungen in den ökologischen Zonen sind auch von anderen großen Aussterbe-Ereignissen in der Erdgeschichte bekannt.“

Die geobiologische Forschung in Südchina ist ein Kooperationsprojekt der Fakultät für Geowissenschaften und Geographie, Abteilung Geobiologie, der Universität Göttingen mit dem Nanjing Institute of Geology and Palaeontology der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der School of Earth Sciences and Engineering der Universität Nanjing. Das Forschungsprojekt war eingebettet in die „Göttingen-Nanjing Geobiology Lectures“, die ein forschungsorientiertes Studium fördern.

Originalveröffentlichung:
Lixia Li, Hongzhen Feng, Dorte Janussen, Joachim Reitner (2015): Unusual Deep Water sponge assemblage in South China – Witness of the end-Ordovician mass extinction. Scientific Reports, 5:16060, doi: 10.1038/srep16060, www.nature.com/articles/srep16060


Kontaktadresse:
Prof. Dr. Joachim Reitner
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Geowissenschaften und Geographie – Abteilung Geobiologie
Goldschmidtstraße 3, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-7950
E-Mail: jreitne@gwdg.de
Internet: www.geobiologie.uni-goettingen.de