Presseinformation: Genetischer Werkzeugkasten der Pflanzen bei der Eroberung des Landes
Nr. 195 - 09.12.2025
Prof. Dr. Jan de Vries von der Universität Göttingen erhält ERC Consolidator Grant
(pug) Der Biologe Prof. Dr. Jan de Vries von der Universität Göttingen erhält einen Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC). Nach seinem ERC Starting Grant, der von 2019 bis 2025 lief, fördert der ERC nun sein neues Projekt „Conserved Environmental Programs of Streptophyte Cells (StreptoProgram)” fünf Jahre lang im Rahmen des Consolidator-Programms mit insgesamt knapp zwei Millionen Euro. De Vries und sein Team untersuchen, wie sich das grundlegende genetische Instrumentarium entwickelt hat, mit dem Landpflanzen heute unsere Landschaften dominieren.
Alle lebenden Landpflanzen, von Moosen bis zu Bäumen, gehören zu einer einzigen Evolutionslinie, die als Embryophyten bekannt ist. Ihre Vorfahren waren Süßwasseralgen. Vor etwa 600 Millionen Jahren gelang es diesen Algen nicht nur, an Land zu überleben, sondern dort auch zu gedeihen, wodurch die außergewöhnliche Vielfalt des Pflanzenlebens entstand, die wir heute sehen. Der Schlüssel zu diesem Erfolg liegt in einer Eigenschaft, die alle Landpflanzen gemeinsam haben: der Fähigkeit, ihr Wachstum und ihre inneren Prozesse an die schwierigen und stark wechselnden Bedingungen an Land anzupassen. Mit anderen Worten: Ihre Biologie ist bemerkenswert flexibel. Diese Flexibilität hängt vom Informationsfluss innerhalb der Zelle ab – von der Wahrnehmung von Umwelteinflüssen wie Trockenheit oder Licht bis hin zur Aktivierung der richtigen inneren Reaktionen. StreptoProgram wird nachverfolgen, wie sich dieses Informationsverarbeitungssystem im Laufe der Evolution entwickelt hat und was seine Kernkomponenten sind.
Jüngste Studien haben gezeigt, dass viele der Gene, die einst als einzigartig für Landpflanzen galten, auch in ihren Algenverwandten vorhanden und aktiv sind. Mit den heute verfügbaren molekularen Werkzeugen können Forscherinnen und Forscher endlich untersuchen, wie die Evolution diese uralten Gene zu funktionierenden Netzwerken kombiniert hat, die den frühen Pflanzen halfen, sich an das Leben an Land anzupassen. Im Laufe von Hunderten von Millionen von Jahren haben diese Gene vielfältige spezialisierte Funktionen in komplexen Pflanzenkörpern übernommen, was es schwierig macht, ihre ursprünglichen Funktionen zu identifizieren. Um dieses Problem zu lösen, werden die Forschenden neben Pflanzenzellkulturen auch die einzellige Alge Closterium untersuchen. Durch den Vergleich beider Systeme können sie sich auf die grundlegenden Gen-Netzwerke konzentrieren, die den Zellen helfen, sich an Umweltstress anzupassen.
Das Projekt verbindet genetische Experimente mit groß angelegten Messungen der Zellaktivität im Zeitverlauf, einschließlich Proteinregulation und Genexpression. Mithilfe von Netzwerkanalysen zur Integration dieser Datensätze wird das Team wichtige genetische „Knotenpunkte“ identifizieren, die dieser alten Abstammungslinie gemeinsam sind, und bestimmen, wo die Evolution neue Verbindungen geschaffen hat. Dabei können die Forschenden auf jahrzehntelanges Fachwissen und die einzigartigen Ressourcen der Algensammlung der Universität Göttingen (SAG) aufbauen. „Unsere Arbeit zielt darauf ab, die grundlegende genetische Architektur aufzudecken, die die frühe Evolution der Landpflanzen geprägt hat“, erklärt de Vries. „Diese Architektur beschreibt den grundlegenden Informationsfluss, der für eine erfolgreiche Anpassung an Umweltherausforderungen erforderlich ist – vom externen Input bis zum biologischen Output.“
De Vries wurde nach seinem Biologiestudium an der TU Braunschweig und der Universität Uppsala an der Universität Düsseldorf mit dem Schwerpunkt molekulare Evolution promoviert. Anschließend forschte er mit einem DFG-Forschungsstipendium als Postdoktorand an der Dalhousie University in Kanada, bevor er mit einem DFG-Rückkehrstipendium nach Deutschland zurückkehrte. Im Jahr 2019 kam er als Juniorprofessor für Angewandte Bioinformatik an die Universität Göttingen und hat seit 2022 eine Professur am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Göttingen inne. Er erhielt 2019 einen ERC Starting Grant und ist derzeit Sprecher des DFG-Schwerpunktprogramms zur molekularen Pflanzenevolution „MAdLand“.
Kontakt:
Prof. Dr. Jan de Vries
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Biologie und Psychologie
Institut für Mikrobiologie und Genetik
Abteilung Angewandte Bioinformatik
Goldschmidtstraße 1, 37077 Göttingen
Telefon: (0551) 39-23755
E-Mail: devries.jan@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/614306.html