Mit lang anhaltendem Applaus würdigten die über 250 aus aller Welt angereisten Gäste Prof. Dr. Dr. h.c. Stephan Klasen, Ph.D. nach seiner Abschiedsvorlesung am 16. November 2019 im Alfred-Hessel-Saal der Paulinerkirche. Stephan Klasen ist seit 2003 Professor für Entwicklungsökonomik. Er forscht zu Fragen von Armut, Ungleichheit, Umwelt, und Gender in Entwicklungsländern. Geboren 1966, scheidet er vorzeitig aus dem Dienst, da er seit 2015 an amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidet und in Sprache und Mobilität stark eingeschränkt ist. In ihren Redebeiträgen hoben Prof. Dr. Hiltraud Casper-Hehne, Vizepräsidentin für Internationales der Universität Göttingen, und Prof. Dr. Thomas Kneib, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, u.a. Klasens große Verdienste für die Göttinger Entwicklungsökonomie hervor. "Sie sind eine besondere und äußerst engagierte Person", betonte Prof. Casper-Hehne in ihrer Rede. Stephan Klasen hat die Entwicklungsökonomie in Göttingen maßgeblich ausgebaut und durch den Aufbau vielfältiger und fakultätsübergreifender Kooperationen und Netzwerke disziplinenübergreifende Forschung auf diesem Gebiet ermöglicht. Heute ist Göttingen der deutschlandweit größte und international sichtbarste Standort für Entwicklungsländerforschung. Zusammen mit Wissenschaftler*innen aus der Agrarökonomie und der Stochastik hat er mit finanziellen Mitteln aus der zweiten Runde der Exzellenzinitiative von 2007 etwa das Courant Research Center "Poverty, Equity, and Growth in Developing and Transition Countries" (Courant Forschungszentrum "Armut, Ungleichheit und Wachstum in Entwicklungsländern") gegründet. Darüber hinaus arbeitet er beispielsweise eng mit Agrarökonomen im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich "Ökologische und sozioökonomische Funktionen tropischer Tieflandregenwald-Transformationssysteme (Sumatra, Indonesien)" sowie im DFG-Graduiertenkolleg "Transformation of Global Agri-Food Systems - Global Food" (Transformation globaler Agrar- und Ernährungssysteme) zusammen. Gemeinsam mit Forscher*innen der Universität Hannover hat Stephan Klasen ferner das DFG-Graduiertenkolleg "Globalization and Development" (Globalisierung und Entwicklung) eingeworben. Prof. Dr. Andrea Cornia, Entwicklungsökonom am Department of Economics and Management der Universität Florenz, ging in einem weiteren Redebeitrag auf Prof. Klasens akademische Laufbahn und dessen Forschungsschwerpunkte ein. Er würdigte zum Beispiel insbesondere, dass Klasen viele wissenschaftliche Fachbeiträge zusammen mit Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern veröffentlicht hat: "Er besitzt die Fähigkeit, Interesse an entwicklungsökonomischer Forschung hervorzurufen. So erschafft man eine Schule", sagte er mit Bezug zur sogenannten "Göttinger Schule". Diesen Begriff prägten Doktorand*innen von Professor Klasen auf einem Symposium anlässlich seines 50. Geburtstages. Göttinger Schule und das Stephan Klasen Fellowship Als Zeichen seines großen Einsatzes für Nachwuchswissenschaftler*innen haben die Entwicklungsökonomie-Professuren der Fakultät gemeinsam mit dem Präsidium der Georg-August-Universität Göttingen und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät darüber hinaus das „Stephan Klasen Fellowship“ ins Leben gerufen. Beginnend 2021 werden jedes Jahr zwei Postdoktorand*innen für jeweils ein Jahr zum wissenschaftlichen Austausch nach Göttingen eingeladen. Schließlich verlasen Luke Barr, Sean Gullette, Lukas und Nicolas Klasen sowie Albert Wenger den Text der Abschiedsvorlesung von Prof. Klasen, der einen Rückblick auf seine wissenschaftliche Karriere und sein Wirken in Forschung, Lehre und Politikberatung darstellt. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Amy und Henning Bloech. Zur Person Anm.d.Red.: Der Text stammt aus dem Jahr 2019. Videomitschnitt der Veranstaltung"Eine besondere und äußerst engagierte Person"
Abschiedsvorlesung von Entwicklungsökonom Prof. Stephan Klasen, Ph.D.
Von eben dieser "Göttinger Schule" sprach anschließend Prof. Dr. Isabel Günther. Die ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin von Stephan Klasen ist heute Professorin für Entwicklungsökonomie sowie Direktorin des NADEL – Center for Development and Cooperation an der ETH Zürich. Sie beschrieb Klasen als "inspirierenden Lehrer", der seine Doktorand*innen stets sehr individuell begleitet und gefördert habe. Insgesamt hat Stephan Klasen 76 Promotionen als Erstgutachter betreut. Darüber hinaus hat er an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eine der ersten Juniorprofessuren geschaffen. Seine aktuellen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen bedankten sich bei Prof. Klasen mit einem wissenschaftlichen Beitrag der besonderen Art: Im Vorfeld hatten sie die Veranstaltungsteilnehmer*innen mithilfe eines Fragebogens zu verschiedenen Aspekten, von persönlichen Angaben wie dem eigenen Sternzeichen bis hin zu gemeinsamen Mensabesuchen mit Stephan Klasen, befragt und diese Daten anschließend auf humoristische Weise ausgewertet und in einem Artikel zusammengefasst.
Stephan Klasen war Direktor des Ibero-Amerika Instituts für Wirtschaftsforschung und Koordinator des Forschungszentrums „Armut, Ungleichheit, und Wachstum in Entwicklungsländern“ an der Universität Göttingen. Er studierte an der Harvard Universität und wurde dort 1994 promoviert. Nach Stationen bei der Weltbank in Washington und Südafrika, dem Kings College in Cambridge und der Universität München war er seit 2003 Inhaber der Professur für Entwicklungsökonomik an der Universität Göttingen. Er war Mitglied des UN-Ausschusses für Entwicklungspolitik und war Präsident des European Development Research Networks. Als Mitglied des Weltklimarats arbeitete er am 5. Sachstandbericht 2014 mit. Er verstarb am 27. Oktober 2020 im Alter von 54 Jahren nach langer und schwerer Krankheit.