Die Klassische Archäologie ist eine historische Kulturwissenschaft. Sie erforscht den antiken Mittelmeerraum und die angrenzenden Gebiete, die Teil des Römischen Reiches waren. Zeitlich reicht das Forschungsgebiet von der griechischen Frühgeschichte, also den Minoern und Mykenern ab dem 3. Jahrtausend v. Chr., bis in die Spätantike um 500 n. Chr., manchmal auch darüber hinaus, wenn sich Phänomene der antiken Kulturen bis in jüngere Zeiten verfolgen lassen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit liegen die griechische und die römische Kultur, aber auch ihre Nachbarn, mit denen sie im regen Austausch standen, insbesondere Etrusker und Phönizier sowie die neuzeitliche Rezeption der Antike.
Anders als die Alte Geschichte und die Klassische Philologie stützt sich die Klassische Archäologie bei der Erforschung vergangener Lebenswelten und sozialer, wirtschaftlicher, religiöser sowie politischer Vorgänge nicht in erster Linie auf Textzeugnisse, sondern hauptsächlich auf materielle Hinterlassenschaften.


Das sind einerseits menschliche Artefakte, von der einzelnen Scherbe über Skulpturen, Architekturen und ihre Ausstattung bis hin zur ganzen Stadt, und anderseits Spuren menschlichen Handelns in der Umwelt. Um diese Zeugnisse zu gewinnen, werden vor allem drei Methoden angewendet: Die archäologische Ausgrabung, das heißt die systematische und akribisch dokumentierte Freilegung dieser Spuren und Artefakte innerhalb eines kleinen, genau umrissenen Gebiets, und der Survey. Dabei handelt es sich um eine Begehung der Oberfläche in einem größeren Gebiet, bei der alle oberirdisch sichtbaren Spuren menschlicher Aktivität erfasst werden. So kann – in heutiger Zeit zumeist mithilfe einer GIS-Datenbank – das Nutzungsprofil einer Landschaft mit Siedlungen, Heiligtümern, Nekropolen, Wirtschaftsanlagen, wie etwa Bauernhöfen oder Erzminen, und dem Verkehrsnetz aus Straßen und Hafenanlagen erstellt werden. In den letzten Jahrzehnten werden beide Methoden zusätzlich durch zerstörungsfreie Methoden der Geoprospektion (Geomagnetik, Georadar) unterstützt, die es unter günstigen geologischen Bedingungen ermöglichen, ganze Straßenzüge und Grundrisse von Gebäuden im Boden zu erkennen. Schließlich gibt es noch die ‚Ausgrabung im Museum‘. Dabei werden alte Befunde neu interpretiert.
Die Auswertung des archäologischen Materials nimmt gegenüber seiner Gewinnung den weitaus größeren Teil der Zeit in Anspruch. Sie erfolgt sowohl mithilfe geisteswissenschaftlicher als auch naturwissenschaftlicher und anderer Methoden. Letztere ermöglichen durch die Analyse des Materials etwa von Gefäßen oder Statuen die Bestimmung ihrer Herkunft oder helfen bei der genauen Bestimmung organischer Reste, beispielsweise von Pflanzenpollen, die dann Aufschluss über die antike Ernährung geben können. Für die Datierung wird auf Stilanalyse und Typologie zurückgegriffen. Diese Methoden basieren auf dem Vergleich fest datierter Stücke mit solchen, deren Datierung es zu erschließen gilt. Dieses Vergleichen kann in Göttingen in der umfangreichen Gipsabgusssammlung hervorragend eingeübt werden. Da die antiken Artefakte vom kleinen Lämpchen bis hin zum großen Tempel häufig mit Bildern geschmückt sind, spielen kulturwissenschaftliche Methoden wie Ikonographie, Bildwissenschaften und visual culture studies eine wichtige Rolle bei der Entschlüsselung der durch sie vermittelten Botschaften. Hinsichtlich der gemeinsamen stilanalytischen und bildwissenschaftlichen Methoden sowie der Erforschung der Antikenrezeption profitiert die Archäologie in Göttingen von ihrer engen räumlichen Nähe zur Kunstgeschichte, die im selben Gebäude beheimatet ist.
Aber auch der Kontakt zu anderen Fächern ist wichtig: Ansätze aus den Sozialwissenschaften helfen beim Verständnis von gesellschaftlichen Phänomenen, beispielsweise von Hierarchien, wie sie teilweise durch unterschiedlich reiche Grabbeigaben oder mehr oder weniger luxuriös ausgestattete Wohnhäuser sichtbar werden. Ansätze aus den Religionswissenschaften werden zur Rekonstruktion religiösen Verhaltens verwendet. Im Studiengang „Antike Kulturen“ ist die Klassische Archäologie mit den übrigen altertumswissenschaftlichen Disziplinen eng verbunden. Sie können sehr gut auch im Bachelor- und Master-Studiengang studiert werden.
Die Erforschung der antiken Gesellschaften führt immer wieder zur Beschäftigung mit aktuellen Fragen, etwa nach Prozessen der Migration, dem Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt, der Konstruktion von Geschlechtern und der Funktion visueller Kommunikation und ermöglicht dadurch ein besseres Verständnis auch der Gegenwart. Darüber hinaus vermittelt ein Studium der Klassischen Archäologie neben dem vertieften Wissen über die Antike, das sogar an die aktuelle Forschung heranführt, nützliche Kompetenzen wie die schnelle, effiziente und umfassende Recherche von Informationen, deren Organisation etwa mithilfe von Datenbank und deren Präsentation, angepasst an unterschiedliche Zielgruppen. Über Erasmus, ein Double Degree mit der Universität Palermo und die Beteiligung an internationalen Forschungsprojekten fördert das Studium hier in Göttingen auch den Erwerb von Fremdsprachen und interkulturellen Kompetenzen.
Neben der Beteiligung an Grabungsprojekten in Griechenland, Italien und Ägypten steht den Studierenden in Göttingen eine große Sammlung an Gipsabgüssen, Originalen und Münzen zur Verfügung, die das Studium um zusätzliche praktische Elemente, etwa das Vorbereiten einer Ausstellung oder die Arbeit in der Restaurierungswerkstatt, erweitern.
Durch ein Studium der Klassischen Archäologie erwirbt man zum einen die Qualifikation zur wissenschaftlichen Arbeit an Universitäten, Forschungseinrichtungen, Museen oder in der Denkmalpflege. Zum anderen ist der Einstieg in den Kulturbereich möglich, das heißt das Verlagswesen, Journalismus, Erwachsenenbildung, Kulturförderung- und Management. Hierbei helfen auch Praktika während des Studiums sowie das Zertifikatsprogramm der Universität Göttingen. Denkbar ist auch der Quereinstieg in die Wirtschaft, beispielsweise im Bereich des Marketings.