Laudatio

zur Verleihung des Appelhagen Dissertationspreises an Herrn Johan Martin Schrader für seine Dissertation „Gesundheitsvollmacht als Vertrauensakt“

Der Wille des Patienten ist Ausdruck seiner Autonomie und Richtschnur des ärztlichen Handelns. Kann der Patient seinen Willen nicht mehr äußern, kommt dem Patientenvertreter die Aufgabe zu, den Willen des Patienten zu ermitteln und umzusetzen. Daher wird empfohlen, vorsorglich eine Vertrauensperson zu bevollmächtigen, die gegebenenfalls die Entscheidungen über ihre Behandlung treffen darf. Denn andernfalls muss ggf. das Betreuungsgericht einen rechtlichen Betreuer für den Patienten bestellen.
In seiner Dissertation hat Johan Martin Schrader die Gesundheitsvollmacht grundlegend und systematisch untersucht. Die Arbeit überzeugt mit einer erschöpfenden, klar strukturierten Analyse von Funktion und Ausgestaltung der Vollmacht in Gesundheitsangelegenheiten und der damit verbundenen, bislang unbeleuchteten, aber praktisch hochrelevanten Fragen nach den Aufgaben und Ermessensspielräumen des Bevollmächtigten und dem Vertrauensschutz des behandelnden Arztes. Erfreulicherweise bezieht der Autor auch die wenigen vorliegenden empirischen Erkenntnisse über Vorstellungen und Erwartungen der Vollmachtgeber einer Gesundheitsvollmacht in die Untersuchung ein. Die Arbeit bedeutet damit nicht nur einen bedeutenden wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt, sondern ist auch für die Praxis hochrelevant.
Besonders hervorzuheben sind darüber hinaus einerseits die Einordnung in den grund- und menschenrechtlichen Rahmen und andererseits der Rechtsvergleich mit Schweden.
Die Bedeutung der Grund- und Menschenrechte für den Erwachsenenschutz ist spätestens mit der UN-Behindertenrechtskonvention in der deutschen Diskussion erkannt worden. Allerdings liegt der Fokus hierbei vor allem auf dem staatlichen Erwachsenenschutz durch die rechtliche Betreuung. Insbesondere die Arbeiten des Europarats haben aber deutlich gemacht, dass auch die Vorsorgevollmacht diesen Rahmen zu beachten hat.
Angesichts der großen Unterschiede im Bereich des privaten Erwachsenenschutzes durch Vorsorgevollmachten und vergleichbare Rechtsinstitute verspricht die Rechtsvergleichung vor allem auf der konzeptionellen Ebene Erkenntnisgewinn. In Schweden ist die Einführung einer Gesundheitsvollmacht intensiv rechtspolitisch diskutiert worden. Insofern ist der Vergleich mit dem schwedischen Recht und der schwedischen Diskussion gerade für die Behandlung der grundsätzlichen Fragestellungen der deutschen Gesundheitsvollmacht besonders fruchtbar, zumal die aktuelle deutsche Diskussion konzeptionelle Fragen eher stiefmütterlich behandelt.
Mit seiner grundlegenden Untersuchung erschließt Johan Martin Schrader die Gesundheitsvollmacht systematisch als Vorsorgeinstrument und setzt Maßstäbe in einem für eine alternde Gesellschaft immer wichtiger werdenden Bereich. An seinen Überlegungen wird der wissenschaftliche Diskurs, wird aber auch der Gesetzgeber bei der künftigen Weiterentwicklung der privatautonomen Vorsorge nicht vorbeigehen können. Seine Arbeit wird aber nicht zuletzt auch die rechtsberatende Praxis sehr bereichern.

Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Lipp