1.2 Gesetzliche Anforderungen und Komponenten der Barrierefreiheit bei Videoaufzeichnungen
Barrierefreiheit bestmöglich umzusetzen ist kein zuvorkommender Service, sondern eine gesetzliche Anforderung, die an Universitäten als öffentliche Bildungseinrichtungen gestellt wird:
- Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde 2009 von Deutschland ratifiziert und seitdem in einem noch nicht abgeschlossenen Prozess in die deutsche Gesetzgebung überführt. Sie sichert Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe in allen öffentlichen Lebensbereichen und mit Artikel 24 auch im Bereich Bildung gesetzlich zu.
- Für den digitalen Raum ergeben sich die gesetzlichen Anforderungen abgeleitet aus der BITV 2.0 (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung), der EU-Richtlinie 2016/2102 und dem EU-Standard EN 301 549, welche u. a. Richtlinien aus den WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) aufrufen.
- Die europäische Richtlinie wurde auf Bundesebene in das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) überführt. Das BGG und die BITV 2.0 gelten für die öffentlichen Stellen des Bundes. Auf Länderebene gelten z. T. eigene Gleichstellungsgesetze und Verordnungen. Einen Überblick über die Rechtslage in den Bundesländern bietet die Website des Projekts BIK-für-Alle.
Aus der genannten Gesetzeslage ergibt sich, dass online verfügbare, digitale Produkte (z. B. Lernmaterialien, PDFs, Videos etc.) und technische Systeme (z. B. Websites, Lernmanagementsysteme) bestenfalls von Vornherein so gestaltet werden sollen, dass alle teilhaben können. Barrierefreiheit ist entsprechend in allen Bereichen des Lehrens und Lernens proaktiv herzustellen und umzusetzen. Einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Kontrollmechanismen bietet der Leitfaden zur Digitalen Barrierefreiheit im Hochschulkontext.
Innerhalb der Standards und Richtlinien werden die Anforderungen nach Medienarten definiert. Für ein aufgezeichnetes Video mit sprachlichen und visuellen Informationen ergeben sich folgende Komponenten:
- Untertitel (UT) sind Textzeilen, die lautsprachliche Inhalte verschriftlichen. Im Englischen erfolgt eine Unterscheidung zwischen Captions und Subtitels: Bei Captions werden auch nicht-sprachliche Audioinhalte verschriftlicht. Als Subtitles werden Audioinhalte in eine andere Sprache übersetzt. Die verschiedenen Begrifflichkeiten werden im Beitrag Barrierefreie Audio- und Videoinhalte erstellen des Hochschulforum Digitalisierung näher ausgeführt.
- Audiodeskriptionen (AD) sind lautsprachliche Beschreibungen visueller Inhalte, die für das inhaltliche Verständnis eines Videos wichtig sind. Sie können in vorhandene bzw. eingeplante Sprechpausen eingefügt werden oder durch eine Unterbrechung der Videospur integriert werden.
- Übersetzungen in eine Gebärdensprache geben die im Video gesprochenen Informationen in der Gebärdensprache des jeweiligen Landes wieder (z. B. Deutsche Gebärdensprache (DGS) in Deutschland, Amerikanische Gebärdensprache (ASL) in den USA).
- (Beschreibende) Transkripte sind Verschriftlichungen der Audioinhalte. Beschreibende Transkripte beinhalten zusätzlich Textfassungen der visuellen Informationen.
Diese verschiedenen Versionen der Aufbereitung von Inhalten sollten von Beginn an bei der Erstellung von Lehrvideos berücksichtigt werden. Dabei ist zu prüfen, welche Komponenten für das konkret geplante Video erforderlich sind. Denn die genannten Komponenten für die Barrierefreiheit sind nur dann notwendig, wenn das Video nach dem Zwei-Sinne-Prinzip eine Barriere aufweist. So ist z. B. keine AD erforderlich, wenn das Video keine inhaltsrelevanten visuellen Informationen enthält oder darauf geachtet wurde, diese beschreibend in den Sprechtext zu integrieren.