Wie beeinflussen unterschiedliche Informationsniveaus das Verhalten von Spender*innen?

Studie "Charitable giving: The role of framing and information" von Claudia Keser, Hartmut Kliemt und Maximilian Späth


Prof. Dr. Claudia Keser (Professur für Mikroökonomik), Prof. Dr. Hartmut Kliemt (Professur für Verhaltens- und Institutionenökonomik, Universität Gießen) und Dr. Maximilian Späth haben in einer Studie untersucht, wie unterschiedliche Informationsniveaus die Entscheidungen von Spender*innen beeinflussen, die berechtigt sind, einen festen Geldbetrag frei zwischen sich und einer gemeinnützigen Organisation zu verteilen, und zwar sowohl im Rahmen des Gebens als auch des Nehmens. Die Teilnehmer*innen spenden signifikant höhere Beträge, wenn die Entscheidung als Nehmen und nicht als Geben beschrieben wird. Dieser Effekt wird jedoch geringer, wenn mehr Informationen über die Wohltätigkeitsorganisation bereitgestellt werden.

Die Studie "Charitable giving: The role of framing and information" ist bei PLOS One erschienen: Zur Publikation (externer Link)

Die Forscher*innen schreiben über Ihre Arbeit:

Dass wir ausdrücklich in die Verarbeitung unserer personenbezogenen Daten einwilligen müssen, scheint den meisten von uns sinnvoll. Die typische Intransparenz der Fragen und Antworten, die an uns seit 2018 aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gerichtet werden, ist jedoch lästig: Um die allgemeine menschliche Schwäche zur Vermeidung komplizierter Überlegungen auszunutzen, werden wir zwar auf einfache und transparente Weise im Internet dazu eingeladen „allem zuzustimmen“, doch von der Ablehnung werden wir zum Beispiel durch Schalterstellungen, die unklar lassen, was Zustimmung und was Ablehnung ist, abgeschreckt.

Aber es gibt auch Bestrebungen, etwa im Falle von gemeinnützigen Spenden, Ausnahmen von der ausdrücklichen Pflicht zur Zustimmung zu machen. Der mit Blick auf die evidenzbasierte medizinische Forschung zunehmend wichtige Zugang zu unseren Gesundheitsdaten ist hier als ein zentrales Beispiel zu nennen.

Es ist ein von der DSGVO bekämpfter manipulativer Eingriff in die Entscheidungsarchitektur, wenn die Zustimmungsregel, „Man ist nur dann Spender, wenn man ausdrücklich zustimmt“ durch die Widerspruchsregel „Man ist automatisch Spender, wenn man nicht ausdrücklich ablehnt“ ersetzt wird. Weniger problematisch im Sinne der DSGVO ist es, wenn man ohne Veränderung der Entscheidungsarchitektur ein bestimmtes Verhalten als moralische Pflicht und dessen Unterlassung als pflichtwidrig darstellt. Im konkreten Beispiel der Nutzung von Gesundheitsdaten, ist es zudem im Gegensatz zur kommerziellen Nutzung privater Daten plausibel, die Spende als moralische Pflicht darzustellen und die Ablehnung einer Nutzung der persönlichen Gesundheitsdaten als pflichtwidrig.

Um zu prüfen, inwieweit man das Spendenaufkommen durch eine bloße Veränderung normativer Erwartungen erhöhen kann, wurde ein kontrolliertes Experiment im wirtschaftswissenschaftlichen Experimentallabor der Universität Göttingen durchgeführt. Teilnehmende konnten einen Betrag von 10 Euro zwischen sich und einer wohltätigen Organisation (Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung) aufteilen, indem sie Geld auf einer Matte zurückließen bzw. an sich nahmen. Bei insoweit gleichbleibender Entscheidungsarchitektur wurde signifikant mehr gespendet, wenn das Zurücklassen als Erfüllung einer Pflicht und das Ansichnehmen als Vorenthaltung eines zu erwartenden Beitrags dargestellt wurden (eine Widerspruchsregel), während Teilnehmende bei anerkannter Verfügungsberechtigung weniger zurückließen bzw. mehr an sich nahmen (eine Zustimmungsregel).

Wurde die Spende nicht als Pflichterfüllung, sondern als freiwillige Gabe eines Verfügungsberechtigten dargestellt, konnte man das Spendenaufkommen zudem durch zusätzliche Information erhöhen. Dieser verstärkende Effekt, war nicht so stark wie der Unterschied zwischen Berechtigung und Verpflichtung, trat aber interessanterweise nur im Falle der Berechtigung auf.
Praxisimplikation: Bevor man die Entscheidungsarchitektur manipuliert, sollte man normative Erwartungen der fairen Beteiligung als moralische Pflichten klar artikulieren. Das gilt nicht nur im Falle der Gesundheitsdaten, sondern auch im Falle der Beteiligung an der postmortalen Organspende. Die Notwendigkeit aktiver rechtlicher Zustimmung bleibt – analog der DSGVO – in der Entscheidungsarchitektur verankert und zugleich wird die Spende als moralische Pflicht gesellschaftlich eingefordert.