Presseinformation: Schlaganfall beeinträchtigt Lernvermögen auch ferner Hirnregionen

Nr. 178/2011 - 26.08.2011

Neuer Therapieansatz von Wissenschaftlern aus Göttingen und Jena zeigt erste Erfolge

(pug) Schlaganfallpatienten haben oft Schwierigkeiten, einfachste Fähigkeiten wie Gehen oder Sprechen wiederzuerlernen. Die Ursachen dafür sind immer noch unbekannt. Wissenschaftler der Universitäten Göttingen und Jena haben nun gezeigt, dass ein Schlaganfall die Lernfähigkeit selbst entfernt liegender Hirnbereiche beeinträchtigen kann. Durch die Gabe von Entzündungshemmern konnte das Lernvermögen einiger neuronaler Netzwerke allerdings wiederhergestellt werden. Die Untersuchungen fanden im Rahmen des Forschungsverbundes „Bernstein Fokus: Neuronale Grundlagen des Lernens“ statt. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Online-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA veröffentlicht.

Wissenschaftler beobachten schon lange, dass die örtlich begrenzte Durchblutungsstörung eines Schlaganfalls auch Auswirkungen auf weiter entfernte Gehirnbereiche haben kann. Die neue Studie zeigt nun die Folgen eines lokalen Schlaganfalls für das Sehsystem von Mäusen. Die Forscher lösten einen Schlaganfall an einer Stelle der Hirnrinde aus, die keinen bekannten Einfluss auf das Sehsystem hat. Verschließt man bei gesunden Tieren ein Auge, erhöht sich die Sehschärfe des offenen Auges und beide Hirnhälften widmen sich verstärkt der Informationsverarbeitung des offenen Auges. „Wir konnten zeigen, dass das Gehirn diese Fähigkeit in der Zeit nach einem Schlaganfall verliert“, erklärt Franziska Greifzu, Doktorandin im Labor von Prof. Dr. Siegrid Löwel, Leiterin der Abteilung Systemische Neurobiologie an der Universität Göttingen und am Bernstein Fokus Neurotechnologie. Hatte das Gehirn nach der Schädigung zwei Wochen Zeit sich zu regenerieren, wurde die Anpassungsfähigkeit teilweise wieder hergestellt.

Um herauszufinden, ob Entzündungsreaktionen für die Störung verantwortlich sein könnten, behandelten die Wissenschaftler die Tiere direkt nach dem Schlaganfall mit einem entzündungshemmenden Medikament. Tatsächlich erhöhte sich bei den behandelten Tieren genau wie bei gesunden die Sehschärfe des offenen Auges. Diese durch den Schlaganfall gestörte Lernfähigkeit konnte durch den Entzündungshemmer wieder normalisiert werden. Inwiefern das geschädigte Hirnareal Einfluss auf das Sehsystem hat, ist noch völlig unklar. „Es scheint viel mehr Wechselwirkungen zwischen Hirnarealen zu geben, als wir bisher wissen und experimentell gestestet haben“, so die Leiterin der Studie, Prof. Löwel. Die Wissenschaftler wollen nun genauer untersuchen, was sich nach einem Schlaganfall auf zellulärer Ebene verändert und wie sich die Lernfähigkeit vollständig wiederherstellen lässt.

Originalveröffentlichung: Franziska Greifzu et al. Global impairment and therapeutic restoration of visual plasticity mechanisms after a localized cortical stroke. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA. Published ahead of print August 24, 2011. DOI: 10.1073/pnas.1016458108.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Siegrid Löwel
Georg-August-Universität Göttingen
Biologische Fakultät
Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie & Bernstein Fokus Neurotechnologie
Abteilung Systemische Neurobiologie
Von-Siebold-Straße 4, 37075 Göttingen
Telefon (0551) 39-20161, Fax (0551) 39-20162
E-Mail: sloewel@gwdg.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/190976.html