Presseinformation: Ist Evolution wiederholbar?

Nr. 103/2014 - 15.05.2014

Sperrfrist: Donnerstag, 15. Mai 2014, 20 Uhr

Göttinger Wissenschaftler untersuchen Genomveränderungen an kalifornischer Stabschrecke


(pug) Ist Evolution vorhersehbar und wiederholbar? Würde die natürliche Selektion einer Tier- oder Pflanzenart unter ähnlichen Bedingungen beim wiederholten Male ähnlich ablaufen? Eine internationale Studie mit Beteiligung der Universität Göttingen kommt zu dem Ergebnis, dass dies zumindest eingeschränkt gelten könnte. Die Wissenschaftler untersuchten das Genom einer kalifornischen Stabschreckenart. Dabei stellten sie fest, dass sich Teile des Genoms im Laufe der Zeit der jeweiligen geografischen Umgebung und den Lebens- und Ernährungsbedingungen der Tiere anpassen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Science erschienen.

Die flügellose Stabschrecke Timema cristinae lebt auf zwei unterschiedlichen nebeneinander vorkommenden Pflanzenarten, die ihr als Nahrungsgrundlage dienen. Je nach Pflanze unterscheiden sich die beiden Ökotypen durch einen Streifen auf dem Rücken, der dem Schutz vor Fressfeinden dient. Frühere Studien haben gezeigt, dass sich die Art möglicherweise gerade in einem Spaltungsprozess befindet, der sogenannten parallelen Artbildung.

In der jetzigen Studie sequenzierten die Wissenschaftler zunächst die Genome von 160 Stabschrecken aus dem gesamten Verbreitungsgebiet beider Pflanzen. Dabei stießen sie auf Genomveränderungen, die jedoch eher auf die geografische Herkunft der Tiere zurückzuführen sind als auf die von ihnen bewohnte Pflanzenart. Allerdings entdeckten sie auch einige parallele Entwicklungen in den Genomen der Ökotyp-Paare.

Um die Hypothese zu testen, ob diese Veränderungen die Folge von paralleler, wirts-spezifischer natürlicher Selektion sind, sammelten die Forscher rund 2.000 Tiere in der Nähe von Los Angeles und setzten sie in einem anderen Gebiet aus. Nach einem Jahr – also einer Stabschrecken-Generation – analysierten sie etwa 400 der Tiere erneut. Deren Genomsequenzen wiesen trotz der relativ kurzen Zeit einige Veränderungen auf, die tatsächlich offenbar auf die bewohnte Pflanze zurückzuführen sind. Diese sind vermutlich für die Effektivität der Nahrungsaufnahme, Pigmentierung des Tieres und Morphologie der Kauwerkzeuge verantwortlich.

Originalveröffentlichung: Soria-Carrasco et al. Stick insect genomes reveal natural selection’s role in parallel speciation. Science 2014. www.sciencemag.org/lookup/doi/10.1126/science.1252136

Kontaktadresse:
Jens Bast
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Biologie und Psychologie
Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie
Abteilung Tierökologie
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E-Mail: jbast@gwdg.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/jens-bast/138295.html