Presseinformation: Forschung über das Verhältnis von Religion und Recht

Nr. 153/2016 - 27.07.2016

Universität Göttingen an zwei geisteswissenschaftlichen Verbundprojekten auf EU-Ebene beteiligt

(pug) Die Universität Göttingen ist an zwei neuen europaweiten Verbundprojekten in den Geisteswissenschaften beteiligt. Die Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Religion und Recht, die Europäische Union fördert die Projekte über das Netzwerk „Humanities in the European Research Area“ (HERA). Die Göttinger Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Irene Schneider ist an einem Projekt beteiligt, das erforscht, wie die Scharia der früheren Zeit in islamischen Ländern für heutige Rechtsdiskurse benutzt wird, der Göttinger Kirchenrechtler Prof. Dr. Hans Michael Heinig an einem Projekt, das sich mit dem weltlichen Charakter des Nordischen Rechts auseinandersetzt und der Frage nachgeht, inwiefern das Erbe der Reformation das Verständnis von Recht und Gesetzgebung in den nordischen Ländern beeinflusst hat.

Im Projekt „Understanding Shari’a: Perfect Past/Imperfect Present“ (US-PPIP) steht der Umgang heutiger muslimischer Staaten mit der „vollkommenen Vergangenheit“ der Scharia im Fokus. Damit ist die Zeit zwischen den Jahren 622 und 632 gemeint, in der der Prophet Muhammad in Medina als Staatsmann und Gesetzgeber agierte und die Scharia, das göttliche Recht, das im Koran offenbart wurde, anwandte. Das Projekt erforscht unter anderem, wie diese Vergangenheit in gegenwärtigen juristischen Diskussionen genutzt wird, um Gesetzgebung, aber auch Rechtsprechung und Rechtspraxis zu rechtfertigen. Wissenschaftler aus vier Ländern untersuchen diese Frage anhand von vier Schwerpunkten. Prof. Schneider konzentriert sich auf die Geschlechterstellung: In vielen modernen muslimischen Staaten stehen feministische Koranexegetinnen und -exegeten gegen die etablierte Macht des meist männlich dominierten Establishments der Gelehrten, und Parlamentarierinnen und Parlamentarier ringen um Neudeutungen beispielsweise im Ehe- und Scheidungsrecht. Das Projekt US-PPIP wird zwei Jahre lang mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro gefördert, der Göttinger Anteil beträgt 250.000 Euro.

Im Projekt „Protestant Legacies in Nordic Law: Uses of the Past in the Construction of the Secularity of Law“ (ProNoLa) geht es um die Frage, ob die konfessionelle Homogenität in den nordischen Ländern und der daraus resultierende Einfluss lutherischer Theologie zu einem eigenen Verständnis von der Säkularität staatlichen Rechts geführt hat. Die Forscher untersuchen vier Epochen seit dem 16. Jahrhundert aus theologischer, religionssoziologischer, historischer und juristischer Perspektive um zu herauszufinden, welche Konzepte für das Verhältnis von Religion, Recht und Staat in dieser Zeit entwickelt wurden. Für einen kritischen Vergleich ziehen sie die konfessionelle Heterogenität in Deutschland heran. Das Projekt ist gegenwartsrelevant, weil sich auch Nordeuropa auf erhebliche religiöse Umbrüche einstellen muss, sowohl im Hinblick auf Multi- als auch auf Areligiösität. Damit geraten konfessionell geprägte Vorstellungen von der Säkularität des Rechts unter Druck. Die Fördersumme für ProNoLa beträgt über drei Jahre insgesamt rund 1,1 Millionen Euro, von denen rund 120.000 Euro nach Göttingen fließen.

Kontaktadressen:
Prof. Dr. Irene Schneider
Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät
Lehrstuhl für Arabistik/Islamwissenschaft
Heinrich-Düker-Weg 14, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-29493
E-Mail: ischnei@gwdg.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/65449.html

Prof. Dr. Hans Michael Heinig
Georg-August-Universität Göttingen
Juristische Fakultät
Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Kirchenrecht und Staatskirchenrecht
Goßlerstraße 11, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-10602
E-Mail: ls.heinig@jura.uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/prof-heinig/131126.html