Presseinformation: Kann das Greening grüner werden?

Nr. 3/2017 - 11.01.2017

Maßnahmen der EU-Agrarpolitik zum Schutz der Artenvielfalt laufen oft ins Leere

(pug) „Greening“ nennt sich ein Instrument, mit dem die Europäische Union (EU) den Artenschwund in der Agrarlandschaft stoppen will. Das Prinzip ist einfach: Landwirte bekommen Geld dafür, dass sie auf ihren Flächen bestimmte Maßnahmen zum Schutz von Flora und Fauna umsetzen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Universität Göttingen und weiterer Forschungseinrichtungen haben nun untersucht, wie effektiv dieses Instrument ist. Im Fachjournal Conservation Letters kommen sie zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Maßnahmen bringen oft wenig für die Artenvielfalt und sind für die Landwirte zum Teil schlecht umsetzbar. Und die Steuerzahler kostet das ganze trotzdem viel Geld. Es gibt aber Möglichkeiten, die Situation für alle Seiten zu verbessern.

Die Artenvielfalt der europäischen Agrarlandschaften ist in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Um dem etwas entgegenzusetzen, hat die EU bei der jüngsten Reform ihrer Agrarpolitik im Jahr 2013 ein neues Instrument eingeführt. Im Rahmen des sogenannten Greening bekommen Landwirte eine Prämie, die in Deutschland bei 86 Euro pro Hektar liegt. Im Gegenzug müssen sie seit Anfang 2015 bestimmte Maßnahmen umsetzen. Zum einen geht es darum, Wiesen und Weiden dauerhaft zu erhalten, zum anderen, den Ackerbau vielfältiger zu gestalten. Je nach Größe müssen Betriebe verschiedene Sorten Feldfrüchte anbauen oder bestimmte Flächen als ökologische Vorrangflächen zur Verfügung stellen. Viele Landwirte sehen die Regelungen jedoch als zu kompliziert an, wohingegen Ökologen und Naturschützern die Vorgaben oft nicht weit genug gehen.

Da die EU-Kommission im März 2017 einen Zwischenbericht zum Greening veröffentlichen wird, flammen die Diskussionen derzeit wieder auf. Die Wissenschaftler haben deshalb Bilanz gezogen und die Erfahrungen von 88 Ökologen aus 17 europäischen Ländern ausgewertet, die sich speziell mit Agrarökosystemen beschäftigen. „Wir wollten unter anderem wissen, was die verschiedenen ökologischen Vorrangflächen für die Biodiversität bringen“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Guy Pe’er vom UFZ. „Dabei ist zum Beispiel herausgekommen, dass Pufferstreifen und Brachland besonders wichtig für die Biodiversität sind.“ Auch besondere Landschaftsstrukturen wie Hecken oder Steinmauern bringen großen Nutzen für die Artenvielfalt. Wenig Nutzen hingegen bringen beispielsweise der Anbau von Zwischenfrüchten oder Stickstoff-Fixierern, insbesondere, wenn auf den Flächen Pestizide eingesetzt werden dürfen.

„Allerdings sind ausgerechnet diese beiden Varianten bei Landwirten äußerst beliebt“, ergänzt Dr. Sebastian Lakner von der Universität Göttingen. Zu diesem Ergebnis kommt ein zweiter Teil der Studie, für den die Forscher Daten aus den Agrarministerien der EU-Mitgliedsstaaten und der deutschen Bundesländer auswerteten. Demnach setzen Europas Landwirte bislang vor allem drei Maßnahmen um. Auf rund 45 Prozent der Vorrangflächen in der EU wachsen Stickstoff-fixierende Hülsenfrüchte. Weitere 27 Prozent entfallen auf die Zwischenfrüchte, die in Deutschland sogar 68 Prozent ausmachen. Die erste Option, mit der sich sowohl Ökologen als auch Landwirte anfreunden können, folgt erst auf Platz drei: Rund 21 Prozent der EU-weit ausgewiesenen Vorrangflächen sind Brachland.

Für Pufferstreifen oder Landschaftselemente, die für die Artenvielfalt besonders wichtig wären, entscheiden sich Landwirte nur sehr selten. „Was Ökologen für sinnvoll halten, ist also nicht unbedingt das, was auch die Landwirte gut finden“, resümiert Dr. Pe’er. Insgesamt werden derzeit etwa drei Viertel aller Vorrangflächen in der EU auf eine Weise genutzt, die wenig oder gar keine Vorteile für die Artenvielfalt bringt.

„Unsere Studie darf jedoch nicht als pauschale Kritik an den Landwirten missverstanden werden“, betont Dr. Lakner. „Diese treffen lediglich rationale ökonomische Entscheidungen im Rahmen der politischen Vorgaben und versuchen dabei, ihre Risiken zu minimieren.“ So ist der Anbau von Zwischenfrüchten und Stickstoff-Fixierern einfach und kostengünstig, Pufferstreifen und Landschaftselemente anzulegen und zu schützen hingegen aufwändig und teuer. Hinzu kommen bürokratische und organisatorische Hürden in den Details der EU-Vorschriften.

Die Wissenschaftler haben deshalb eine Liste mit mittel- bis langfristigen Empfehlungen ausgearbeitet, die bestimmte Optionen abwertet oder ganz abschafft, andere dagegen aufwertet. Ob Greening langfristig überhaupt das richtige Rezept gegen den Schwund der biologischen Vielfalt ist, bezweifeln die Forscher. Sie befürworten ein zielspezifisches Ausbauen der vorhandenen Agrar- und Umweltprogramme der EU, um diese für die Landwirte und Mitgliedsstaaten finanziell und kontrolltechnisch attraktiver zu machen.

Originalveröffentlichung: Guy Pe’er et al. Adding Some Green to the Greening: Improving the EU’s Ecological Focus Areas for Biodiversity and Farmers. Conservation Letters 2016. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/conl.12333/full.

Kontaktadressen:
Dr. Sebastian Lakner
Georg-August-Universität Göttingen
Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung
E-Mail: slakner@gwdg.de

Dr. Yves Zinngrebe
Georg-August-Universität Göttingen
Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung
E-Mail: yzinngr@gwdg.de

Dr. Guy Pe‘er
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Department Naturschutzforschung
E-Mail: guy.peer@ufz.de