In publica commoda

Presseinformation: Entziehung von Doktortiteln in der NS-Zeit: Menschenverachtend und willkürlich

Nr. 316/2004 - 27.10.2004

Senat verurteilt Willkürakte aus Gründen politischer und rassistischer Diskriminierung und Verfolgung
(pug) Der Senat der Universität Göttingen hat die in der Zeit des Nationalsozialismus praktizierte Entziehung von Doktortiteln aus Gründen politischer und rassistischer Diskriminierung und Verfolgung als „willkürlich und menschenverachtend“ und damit unrechtmäßig bezeichnet. „Sie widersprechen zutieft den humanistischen Idealen und den Grundsätzen wissenschaftlich begründeten Handelns, denen sich diese Universität verpflichtet fühlt“, heißt es in einer Erklärung, die die Senatsmitglieder in ihrer heutigen Sitzung (27. Oktober 2004) einstimmig verabschiedet haben. Die Senatserklärung bezieht sich auf eine Ausstellung mit dem Titel „... des Tragens eines deutschen akademischen Grades unwürdig“, die sich mit der Entziehung von Doktortiteln an der Georg-August-Universität Göttingen im „Dritten Reich“ beschäftigt. Dazu erklären die Senatsmitglieder weiter: „Das damals von der Universität begangene Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden. Die Aufarbeitung kommt für die Betroffenen zu spät.“ Dennoch halte es der Senat für geboten, in den ihm bekannt gewordenen Fällen von Willkürakten ausdrücklich die Nichtigkeit festzustellen. Auch heute sehe es die Universität Göttingen als ihre fortdauernde Aufgabe an, „in wissenschaftlichen Arbeiten wie auch in der hochschulöffentlichen Diskussion das Bewusstsein für dieses dunkelste Kapitel in der Geschichte der Georgia Augusta wach und im Gedächtnis der Universität lebendig zu halten“.
Die Entziehung von Doktortiteln im Nationalsozialismus ist auf Initative des Göttinger Universitäts-Präsidenten wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Die Ergebnisse sind in die Ausstellung eingeflossen, die unter der Leitung von Prof. Dr. Bernd Weisbrod am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte konzipiert wurde. Sie ist vom 29. Oktober bis zum 22. November 2004 im Foyer der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) am Platz der Göttinger Sieben zu sehen. Zur Eröffnung am Freitag, 29. Oktober 2004, sprechen Prof. Dr. Horst Kern, Präsident der Georg-August-Universität, und Reimer Eck als Vertreter der SUB. Die Einführung hält Prof. Weisbrod. Die Eröffnungsveranstaltung findet im Großen Seminarraum (1. Obergeschoss) der Bibliothek statt und beginnt um 11.15 Uhr.
Hinweis an die Redaktionen:
In der Anlage erhalten Sie den Wortlaut der vom Senat verabschiedeten Erklärung.

Senatsbeschluß vom 27. Oktober 2004 (einstimmig)
Die Georg-August-Universität Göttingen hat sich insbesondere in den 80er Jahren in verschiedenen Zusammenhängen deutlich von Unrechtshandlungen distanziert, die unter der nationalsozialistischen Diktatur in ihrem Namen, von Angehörigen oder Gremien der Universität begangen wurden. Diese kritische Reflexion ihrer eigenen Rolle in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft kam spät und blieb unvollständig. Auch heute sieht es die Universität Göttingen als ihre fortdauernde Aufgabe an, in wissenschaftlichen Arbeiten wie auch in der hochschulöffentlichen Diskussion das Bewußtsein der Verantwortung für dieses dunkelste Kapitel in der Geschichte der Georgia Augusta wach und im Gedächtnis der Universität lebendig zu erhalten.
Aus Anlaß der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der Ausstellung zur unrechtmäßigen Entziehung von Doktorgraden unter Mitwirken der Universität Göttingen in den Jahren von 1933 bis 1945 stellt der Senat heute fest, daß die Entziehungen von Doktorgraden aus politischen und rassistischen Gründen oder Motiven als Akte der politischen Verfolgung willkürlich und menschenverachtend waren. Sie widersprechen zutiefst den humanistischen Idealen und den Grundsätzen wissenschaftlich begründeten Handelns, denen sich diese Universität verpflichtet fühlt.
Das damals von der Universität begangene Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden. Die Aufarbeitung kommt für die Betroffenen zu spät. Dennoch hält es der Senat nicht zuletzt aus den oben genannten Gründen für geboten, in den nachstehenden, ihm bekannt gewordenen Fällen von Willkürakten ausdrücklich die Nichtigkeit festzustellen, wie dieses in Einzelfällen in den vergangenen Jahren bereits geschehen ist.