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Presseinformation: Von Meerjungfrauen und zaubernden Rittern zum Filmmärchen für Erwachsene

Nr. 318/2005 - 06.10.2005

Die Vortragsreihe „Märchenrezeption im europäischen Vergleich“ findet im Wintersemester statt
(pug) In welchen gesellschaftspolitischen Zusammenhängen wurden Märchen gehört und gelesen? Wie werden sie in Theater, Oper, Ballett, Film oder Cartoon verarbeitet? Welche Rolle spielt die Übersetzung für ihre öffentliche Wahrnehmung und Verbreitung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Vortragsreihe „Hören, Lesen, Sehen, Spüren: Märchenrezeption im europäischen Vergleich“, zu der das Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Georg-August-Universität im Wintersemester 2005/2006 einlädt. Dabei geht es ebenso um Kinder- und Jugendliteratur wie um tiefenpsychologische Aspekte, die DEFA-Märchenfilme oder Märchenhaftes im Internet. Die Reihe startet am 17. Oktober 2005 mit einem Vortrag über „Die Brüder Grimm und ihre Folgen“. Es referiert Prof. Dr. Gerhard Lauer vom Seminar für Deutsche Philologie. Die Veranstaltungen finden jeweils montags in der Paulinerkirche, Papendiek 14, statt und beginnen um 18.15 Uhr. Die Reihe wird von der Märchen-Stiftung Walter Kahn in Volkach und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen unterstützt.
„Märchen entwickelten sich im Laufe der Moderne zum privilegierten Genre so genannter Volkspoesie. Sie wurden gesammelt, bereinigt, nacherzählt und zunehmend wissenschaftlich begleitet und redigiert. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wuchs das Märchen zu einer Erzählform heran, die aus bürgerlichen Kulturen nicht mehr wegzudenken war“, erläutert die Initiatorin dieser Vortragsreihe, die Kulturanthropologin und Europäische Ethnologin Prof. Dr. Regina Bendix. „Die nicht abbrechende Flut von Märchenbüchern, die ethnischen Sammlungen ebenso wie literarische Parodien wecken Neugierde darauf, wie diese Gattung bis heute rezipiert wird. Ziel der Vortragsreihe ist es, diese Wahrnehmung des Märchens im europäischen Vergleich nachzuvollziehen“, sagt die Wissenschaftlerin, die die Reihe zusammen mit dem Iranisten Prof. Dr. Ulrich Marzolph und unter Mitarbeit von Stefanie Seifert vom Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie realisiert hat. Prof. Marzolph gehört der Arbeitsstelle Enzyklopädie des Märchens an der Göttinger Akademie der Wissenschaften an.
Nach dem Auftaktvortrag über die Brüder Grimm folgt die zweite Veranstaltung der Reihe am 24. Oktober. Prof. Dr. Bea Lundt vom Institut für Geschichte und ihre Didaktik an der Universität Flensburg spricht „Von Meerjungfrauen, Wiedergängern und zaubernden Rittern“ und geht dabei auf „Lateinische Vorläufer für Märchengestalten aus dem 12. Jahrhundert: Genderbilder in Walter Maps ,De nugis Curialium‘ und ihre Rezeption“ ein. Am 31. Oktober referiert Bernhard Wiebel von der Münchhausologischen Sammlung in Zürich (Schweiz) zum Thema „Münchhausen – das Märchen vom Lügenbaron. Über die anspruchsvolle Aufgabe, eine literarische Figur zu sein“. Um „Orientalisches oder was man dafür hält: Zur Rezeption orientalischen Erzählguts in Europa“ geht es in dem Vortrag von Prof. Marzolph. Er findet am 7. November statt. Dr. Albrecht Gier, Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg, befasst sich am 14. November mit der Frage „Wie singen Wölfe?“ und informiert über „Märchen im Musiktheater“.
Am 21. November ist Privadozent Dr. Bernd Rieken vom Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien (Österreich) zu Gast. In seinem Vortrag spricht er zum Thema „Therapeutisches Interesse und ein Blick hinter die Kulissen: Zur Rezeption des Märchens in der Tiefenpsychologie“. Über „Märchen in Europa: Zur Geschichte des Genres innerhalb der Kinder- und Jugendliteratur“ referiert dann Prof. Dr. Hans-Jörg Uther von der Göttinger Arbeitsstelle Enzyklopädie des Märchens in der Veranstaltung am 28. November. Die „Märchen-Rezeption in der Slowakei: zwischen oralen Traditionen und moderner Wahrnehmung“ steht im Mittelpunkt des Vortrages am 5. Dezember, den Prof. Dr. Gabriela Kilianova von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava hält. Am 12. Dezember beschäftigt sich Christine Shojaei-Kawan, die ebenfalls an der Enzyklopädie des Märchen arbeitet, mit „Filmmärchen für Erwachsene: Zum Beispiel ,Chocolat‘“.
Die Reihe wird im kommenden Jahr mit einem Vortrag von Theater- und Filmregisseur Walter Beck (Blankenfelde) fortgesetzt. Er referiert am 9. Januar 2006 über „Intention und Praxis der DEFA-Märchenfilme: Ein Rückblick“. Am 16. Januar spricht Privatdozentin Dr. Ingrid Tomkowiak vom Volkskundlichen Seminar der Universität Zürich (Schweiz) zum Thema „Disneys Märchenfilme“. Um „Märchen und Märchenhaftes im Internet“ geht es am 23. Januar. Darüber informieren Prof. Dr. Fotis Jannidis vom Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt und Prof. Dr. Simone Winko vom Göttinger Seminar für Deutsche Philologie. Die letzte Veranstaltung dieser Vortragsreihe findet am 30. Januar statt. Prof. Bendix geht unter der Überschrift „Vom Witz zur Quizshow“ auf „Das abgekürzte Märchen als kulturelles Kapital“ ein.
Über das Programm der Vortragsreihe informiert ein Faltblatt, das an verschiedenen Stellen in der Universität und der Stadt ausliegt oder in der Universitäts-Pressestelle (Telefon 0551/39-4342) angefordert werden kann. Informationen im Internet sind unter der Adresse www.uni-goettingen.de in der Rubrik „Aktuelles“ abrufbar.
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Regina Bendix
Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät
Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie
Friedländer Weg 2, 37085 Göttingen
Telefon (0551) 39-5351, Fax (0551) 39-2232
e-mail: rbendix@gwdg.de
Internet: www.kaee.uni-goettingen.de