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Presseinformation: Paläontologische Sammlungen: Originalfunde des Mammuts wiederentdeckt

Nr. 51/2006 - 10.02.2006

Die wissenschaftshistorisch wertvollen Stücke galten seit dem Kriegsende als verschollen
(pug) In den paläontologischen Sammlungen der Universität Göttingen sind zwei verloren geglaubte, wissenschaftshistorisch wertvolle Originalfunde des Wollhaarmammuts wiederentdeckt worden: Dabei handelt es sich zum einen um einen 1799 von Johann Friedrich Blumenbach beschriebenen Zahn. Er gehört zu den Knochen- und Zahnfunden, die der Göttinger Naturforscher als Referenzmaterial für die wissenschaftliche Erstbeschreibung dieser wohl bekanntesten eiszeitlichen Großsäugetierart verwendet hat. Wieder aufgefunden wurde außerdem ein Ende des 17. Jahrhunderts bei Salzgitter ausgegrabener Backenzahn: Seine Abbildung ist in einem Werk des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz aus dem Jahr 1698 zu finden. Beide Funde galten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als verschollen oder zerstört. Das „Urstück“ des Mammmuts und der „Leibniz-Zahn" werden von Mai 2006 an im Museum des Geowissenschaftlichen Zentrums der Georgia Augusta zu sehen sein.
Das heute ausgestorbene Wollhaarmammut, das Mammuthus primigenius, lebte in der letzten Eiszeit bis vor rund 10.000 Jahren auch in unserer Region. Von Blumenbach (1752 bis 1840) stammt die ursprüngliche Bezeichnung Elephas primigenius, wörtlich übersetzt „erstgeborener“ Elefant. Seine wissenschaftliche Erstbeschreibung basiert auf Knochen- und Zahnfunden, die aus Osterode am Harz und aus Sibirien stammen. Belegstücke dieser Art dienen als so genannte Typusexemplare dafür, dass der Name einer Tier- und Pflanzenart von allen Autoren einheitlich verwendet wird. Das von dem Göttinger Naturforscher benutzte Referenzmaterial wurde Ende des Zweiten Weltkrieges im Naturhistorischen Museum der Georg-August-Universität aufbewahrt; danach galten die Funde als verschollen oder zerstört. Russische Wissenschaftler haben deshalb vor 15 Jahren einen neuen Typus für das Wollhaarmammut festgelegt.
Einhundert Jahre vor Blumenbach hatte bereits Leibniz (1646 bis 1716) in seinem Werk „Protogaea“ einen Mammutzahn abgebildet. Diese „Abhandlung von der ersten Gestalt der Erde und den Spuren der Historie in Denkmalen der Natur“ ist vermutlich 1698 entstanden, wurde jedoch erst posthum 1749 veröffentlicht. Darin deutete der Gelehrte den Fund als Zahn eines Meerestieres. Auch dieses historisch bedeutsame Original galt seit Kriegsende als verloren. Im Herbst 2005 stießen jedoch Kustos Dr. Mike Reich und Student Alexander Gehler auf diese beiden Stücke, als die paläontologischen Sammlungen umstrukturiert wurden. Dr. Reich: „Die Originaletiketten und Beschriftungen fehlten zwar gänzlich. Der von Blumenbach beschriebene Zahnfund konnte aber anhand einer genauen Zeichnung des amerikanischen Wirbeltierpaläontologen H.F. Osborn aus dem Jahr 1942 identifiziert werden. Ebenso ließ sich der Leibniz-Zahn anhand des 1749 veröffentlichten Kuperstichs eindeutig zuordnen.“
Wie Dr. Reich weiter erläutert, sind in den paläontologischen Sammlungen der Universität Göttingen weitere bislang unbekannte Mammutmaterialien aus dem 18. und dem frühen 19. Jahrhundert aufgefunden worden. Da auch sie keine Etiketten aufweisen, wird ihre Herkunft derzeit mit modernen Analysemethoden genauer untersucht. Eindeutig zuzuordnen sind dagegen Knochenfunde von Höhlenbär oder Wollhaarnashorn, die von Johann Friedrich Blumenbach zusammengetragen wurden. Sein „Urstück“ des Mammuts und auch der „Leibniz-Zahn“ sind zur Zeit im Staatlichen Naturhistorischen Museum Braunschweig zu sehen. Dort wird noch bis zum 18. April die Sonderausstellung „Mammut - Elefanten der Eiszeit“ gezeigt. In Göttingen werden diese beiden Funde erstmals am 21. Mai der Öffentlichkeit vorgestellt. Zum „Internationalen Museumstag“ öffnet das Museum des Geowissenschaftlichen Zentrums, Goldschmidtstraße 3, um 10 Uhr seine Türen.
Hinweis an die Redaktionen:
Digitales Bildmaterial kann unter www.geobiologie.uni-goettingen.de/Museum/mammut_presse.htm im Internet abgerufen werden.
Kontaktadresse:
Dr. Mike Reich
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Geowissenschaften und Geographie
Geowissenschaftliches Zentrum
Museum, Sammlungen und Geopark
Goldschmidtstraße 3, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-7998, -3854, Fax (0551) 39-7918
e-mail: mreich@gwdg.de
Internet: www.geobiologie.uni-goettingen.de/Museum/welcome.htm