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Presseinformation: Herausragende Wissenschaftler wechseln an die Universität Göttingen

Nr. 259/2009 - 11.12.2009

Exzellenzinitiative: Universität mit offenem Konzept für Nachwuchswissenschaftler erfolgreich

(pug) Die Universität Göttingen richtet mit Fördermitteln aus der Exzellenzinitiative vier weitere Nachwuchsgruppen ein, die ohne thematische Einschränkung, allein orientiert an den Interessen und Forschungsprofilen der Leiter, ausgewählt worden sind. Mit diesem Konzept der Free Floater ist sie erfolgreich im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe: Für die Leitung der Gruppen konnte die Hochschule eine herausragende Nachwuchswissenschaftlerin sowie drei herausragende Nachwuchswissenschaftler gewinnen, die zuvor in Portugal, Großbritannien und den USA geforscht haben. „Unser in Deutschland einzigartiges Free Floater-Konzept macht es uns möglich, das Forschungsprofil der Universität um neue interdisziplinäre Ansätze zu erweitern und gleichzeitig Nachwuchswissenschaftlern einen attraktiven Karriereweg anzubieten“, so Universitätspräsident Prof. Dr. Kurt von Figura. Das offene Konzept wird bereits von weiteren Hochschulen in Deutschland mit Interesse verfolgt. Themen der vier neuen Free Floater-Nachwuchsgruppen sind das Verhalten von Biomolekülen, die Erweiterung des genetischen Codes, die Artenvielfalt und der Spracherwerb bei Kindern. Bereits im vergangenen Jahr wurden solche Gruppen in den Musikwissenschaften, den Sozialwissenschaften, der Germanistik und der Mathematik gegründet.

Mit der Entwicklung neuer Methoden der Computersimulation für die experimentelle naturwissenschaftliche Forschung beschäftigt sich die Nachwuchsgruppe „Computerchemie und Biochemie“. Um komplexe chemische Prozesse in lebendigen Systemen zu untersuchen, sind bislang Computernetzwerke mit hoher Rechenleistung notwendig, sogenannte Supercomputer. Ziel der Nachwuchsgruppe ist es, schnellere Algorithmen zu entwickeln und neuartige Hardware einzusetzen, so dass mit einem einzelnen Computer das Verhalten von Biomolekülen untersucht und vorhergesagt werden kann. „Der Campus Göttingen mit der Universität und den außeruniversitären Forschungsinstituten ist dafür ein idealer Standort, weil ich hier mit hervorragenden Forschergruppen in der Chemie, der Physik, der Biologie und der Informatik zusammenarbeiten kann“, so Juniorprofessor Dr. Ricardo Mata. Der Chemiker, Jahrgang 1981, kommt von der Universität Lissabon und baut seit Oktober 2009 seine Nachwuchsgruppe in Göttingen auf.

Wie schafft es eine Zelle, ein zwei Meter langes Genom in einem 100.000 mal kleineren Zellkern unterzubringen, ohne dabei die Möglichkeit zu verlieren, jederzeit auf dessen Informationsgehalt zugreifen zu können? Im November hat die Universität Göttingen Dr. Heinz Neumann, Jahrgang 1974, auf eine Juniorprofessur berufen, um dieser und ähnlichen Fragen nachzugehen. Zurzeit baut Dr. Neumann die Nachwuchsgruppe „Angewandte Synthetische Biologie“ am Göttinger Zentrum für Molekulare Biowissenschaften auf. Zuvor forschte der Chemiker drei Jahre lang im Laboratory of Molecular Biology im englischen Cambridge an der künstlichen Erweiterung des genetischen Codes. Aufbauend auf seine Arbeiten können Wissenschaftler nun Proteine mit Modifikationen herstellen und diese anschließend mit biochemischen und biophysikalischen Methoden untersuchen. Ziel seiner Nachwuchsgruppe ist es, Fragen aus der Biochemie und Zellbiologie mit Hilfe neuartiger Methoden aus der Synthetischen Biologie zu untersuchen. Dr. Neumann hofft, damit die Mechanismen der Vererbung im Detail erforschen zu können und so dazu beizutragen, dass Krankheiten, die auf Fehlfunktionen im Vererbungsprozess zurückzuführen sind, in Zukunft aufgeklärt und behandelt werden können.

Zwei weitere Wissenschaftler, die die Universität mit ihrem Free Floater-Konzept für den Aufbau von Nachwuchsgruppen gewinnen konnte, sind Dr. Holger Kreft und Dr. Nivedita Mani. „Die Hochschule bietet in Deutschland einmalige Voraussetzungen für Biodiversitätsforschung in einem interdisziplinären Netzwerk. Die Fachgebiete Systematik und Taxonomie, die Geowissenschaften sowie die ökologische Grundlagenforschung sind hier ausgesprochen stark“, begründet Dr. Kreft seine Entscheidung, das Göttinger Angebot anzunehmen. Warum kommen in manchen Lebensräumen mehr Arten vor als in anderen? Warum findet man auf einem Hektar amazonischen Regenwalds mehr als 300 Baumarten, vor der eigenen Haustür aber nur fünf? Solche Fragen stehen im Mittelpunkt der Nachwuchsgruppe „Biodiversität, Makroökologie und Biogeographie“. Mit der Auswertung vorhandener Datensätze zur Verbreitung von Pflanzen- und Tierarten und der Verknüpfung der Ergebnisse mit Klima- und Satellitendaten wollen die Wissenschaftler zum Beispiel die Zahl der Arten bislang wenig erforschter Gebiete besser vorhersagen oder mögliche Auswirkungen des Klimawandels modellieren. Nach Studium und Promotion an der Universität Bonn forschte Dr. Kreft, Jahrgang 1976, an der University of California, San Diego. Ende November 2009 hat ihn die Universität Göttingen auf eine Juniorprofessur berufen.

Vom University College London wird Dr. Nivedita Mani Anfang 2010 an die Universität Göttingen wechseln, um hier ihre Forschung über den Spracherwerb bei Kindern fortzusetzen. Sie wird eine Nachwuchsgruppe aufbauen, in der insbesondere untersucht wird, wie Kinder ihre Muttersprache durch den Klang von Wörtern erlernen. Verbinden Kinder unbewusst zum Beispiel ähnlich klingende Wörter miteinander? Um den Mechanismus des Erlernens neuer Wörter zu erforschen, wird in der Forschergruppe auch untersucht, wie Hörgeschädigte neue Wörter lernen und ob Implantate im Innenohr diesen Lernprozess beeinflussen. Dr. Mani wird hierfür an der Universität Göttingen ein neues Forschungslabor aufbauen, in dem unter anderem Augenbewegungen und Gehirnströme gemessen werden können. „Es ist sehr selten, dass eine Universität Nachwuchswissenschaftler derart unterstützt“, so Dr. Mani. Die in Indien geborene Linguistin, Jahrgang 1980, forschte nach ihrer Promotion an der Universität Oxford in Dänemark, Oxford und London.

Die Leiterinnen und Leiter der Free Floater-Nachwuchsgruppen werden für sechs Jahre auf Juniorprofessuren berufen mit der Option, anschließend auf eine dauerhafte Professur (tenure track) berufen zu werden. Die Entscheidung über die unbefristete Professur beruht allein auf ihren wissenschaftlichen Leistungen und Lehrerfolgen. Sie erhalten zudem Fördermittel zum Aufbau ihrer Forschergruppen mit mehreren wissenschaftlichen Mitarbeitern. Sie werden vom Göttingen Research Council (GRC) betreut, einem unabhängigen Organ aus Vertretern universitärer und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, das die Entwicklung am Wissenschaftsstandort beratend begleitet.