In publica commoda

Presseinformation: Zusammenhang zwischen Bakterienriffen und Chemie der Ozeane entschlüsselt

Nr. 137/2001 - 01.06.2001

Göttinger Geowissenschaftler veröffentlichen Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Photosynthese, Ozeanchemismus und fossilen Bakterienriffen in führendem Wissenschaftsjournal

(pug) Göttinger Geowissenschaftler haben einen Zusammenhang zwischen der Verkalkung von Cyanobakterien ("Blaugrünalgen") und der chemischen Zusammensetzung des Umgebungsmilieus entdeckt, der es ermöglicht, Kalziumgehalte vergangener Ozeane der Erdgeschichte zu berechnen. Der Kalziumgehalt vergangener Ozeane der Erdgeschichte ist deswegen so wichtig, weil Kalzium ein kritisches Element für den Stoffwechsel von Organismen ist. Bei hohen Konzentrationen könnte Kalzium Auswirkungen auf Evolutions- und Aussterbeereignisse gehabt haben. Ihre Forschungsergebnisse konnten die Wissenschaftler Dr. Gernot Arp, Dr. Andreas Reimer und Prof. Dr. Joachim Reitner vom Zentrum für Geowissenschaften der Georg-August-Universität nun in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift "Science" (1. Juni 2001) veröffentlichen. "Science" ist eines der beiden führenden internationalen Wissenschaftsjournale, in dem nur die herausragendsten Ergebnisse aus allen Bereichen der Forschung veröffentlicht werden.
Blaugrünalgen sind Bakterien von meist 1 bis 10 Mikrometer Größe (also 100 bis 1000 Mal kleiner als ein Stecknadelkopf) und existieren vermutlich schon seit über 3,8 Milliarden Jahren. Sie fixieren Kohlendioxid und betreiben eine Sauerstoff-produzierende Photosynthese. Ihnen ist es letztlich zu verdanken, dass die Erde Schritt für Schritt (im Laufe des Präkambriums zwischen 3,8 Milliarden und 540 Millionen Jahren vor heute) eine sauerstoffreiche Atmosphäre erhielt und so die Entwicklung höheren Lebens auf unserem Planeten erst ermöglichte.
Bislang glaubte man, dass durch den photosynthetischen Kohlendioxid-Entzug die Auskristallisation von Kalziumkarbonat auf den Zelloberflächen der Cyanobakterien verursacht wird und es somit zur Bildung feinschichtiger Kalkriffe, sogenannter Stromatolithen, mit verkalkten Zellstrukturen kommen kann. Stromatolithen gehören zu den ältesten Belegen fossilen Lebens auf der Erde überhaupt. Anhand von Untersuchungen an Blaugrünalgen-Matten in Salz-, Soda- und Süßwasserseen, welche als "Modellozeane" betrachtet wurden, konnte nun gezeigt werden, dass dies so in den meisten Fällen nicht funktioniert: Mittels einer Computer-Simulation, die zeigt, wie stark die Photosynthese auf die Kalkfällung wirkt, kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass der bislang postulierte Mechanismus nur bei hohen Kalzium-Gehalten, niedrigen Konzentrationen an gelöstem anorganischen Kohlenstoff (CO2, HCO3-, CO32-) und entsprechend schwacher pH-Pufferung möglich ist.
Berücksichtigt man die verschiedenen CO2-Gehalte in der Atmosphäre der jeweiligen Erdzeitalter, so kann erstmals exakt berechnet werden, wie hoch die Kalzium-Konzentrationen der Ozeane mindestens gewesen sein müssen, sofern die entsprechenden Gesteinsformationen verkalkte Mikrofossilien dieser Blaugrünalgen aufweisen. Die Berechnungen der Forscher stützen damit Hypothesen, nach denen die chemische Zusammensetzung der Ozeane im Laufe der Erdgeschichte immer einem massiven Wandel unterworfen war und dadurch die Evolution möglicherweise stärker beeinflusste als bisher angenommen.


Weitere Informationen:
Dr. Gernot Arp
Zentrum für Geowissenschaften, Georg-August-Universität Göttingen
Abteilung Geobiologie
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