In publica commoda

Presseinformation: Symposium: „Komponistinnen und Komponisten im Gulag unter Stalin“

Nr. 125/2010 - 08.06.2010

Göttinger Musikwissenschaftler untersuchen vom 16. bis 19. Juni 2010 Arbeit inhaftierter Musiker

(pug) 25 Jahre nach Beginn der Perestroika in der Sowjetunion gibt es große Fortschritte in der Aufarbeitung der Geschichte sowjetischer Zwangsarbeitslager. Weitgehend unerforscht ist dagegen das Leben und Schaffen von Musikern und Komponisten in den Lagern. Deshalb veranstaltet das Musikwissenschaftliche Seminar der Universität Göttingen das weltweit erste internationale Symposium zum Thema „Composers in the Gulag“. Vom 16. bis 19. Juni 2010 diskutieren Wissenschaftler aus Russland, Estland, Deutschland und den USA im Tagungszentrum am Lichtenberg-Kolleg die Ergebnisse der bisher geleisteten Forschung.

Die Musikwissenschaftler interessieren sich besonders für das kulturelle Schaffen inhaftierter Komponisten vor, während und nach ihrer Lagerhaft – handelt es sich doch häufig um Urheber neuer Musik. Bisherige Untersuchungen über Häftlinge aus anderen Berufsgruppen zeigen, welches Potenzial den jeweiligen Künsten und Wissenschaften durch die Inhaftierung verloren gegangen ist. Diese Bestandsaufnahme wollen die Wissenschaftler nun auch für die Berufsgruppe der Musiker und Komponisten in den Lagern leisten und so die bisherige Forschung über Musik in Sowjetunion vervollständigen. Dadurch wollen sie zur Diskussion des Gulags und des sowjetischen Totalitarismus im Allgemeinen beitragen. Ein weiteres Ziel des Symposiums ist es, erstmals Werke unbekannter Komponisten, deren Karriere nach ihrer Lagerhaft beendet war, einem größeren Publikum vorzustellen.

Den Auftakt des Symposiums bildet am Mittwoch, 16. Juni, die Eröffnung in der Historischen Sternwarte des Lichtenberg-Kollegs. Oleg Timofeyev interpretiert ein Werk des ehemals inhaftierten Komponisten Matwei Pawlow-Asantschejew, außerdem wird die Komposition „Mein Geliebter mit der Nummer 632… Drei Lieder aus dem Gulag“ von Kurt Hopstein uraufgeführt. Damit verbunden sind Variationen über ein Thema von Wladislaw Solotarjow. Der Einführungsvortrag von Galina Iwanowa am Donnerstag, 17. Juni, ordnet das Thema des Symposiums in die aktuelle Forschung zu sowjetischen Zwangsarbeitslagern ein. In weiteren Vorträgen geht es sowohl um die Rahmenbedingungen des Schaffens der inhaftierten Komponisten in der Sowjetunion vor und nach der Haft, als auch um die Lebensbedingungen der Künstler während ihrer Haft in den Lagern. Am Freitag, 18. Juni, und Sonnabend, 19. Juni, liegt der Schwerpunkt der Tagung dann auf Einzelschicksalen inhaftierter Komponisten und Musiker.

Begleitend zu dem Symposium werden die Werke inhaftierter Komponisten in mehreren Konzerten wieder lebendig. Am Donnerstag, 17. Juni, führt der renommierte Pianist Jascha Nemtsov ab 20 Uhr in der Aula am Wilhelmsplatz Werke von Mieczyslaw Weinberg, Alexander Weprik, Alexander Mossolow und Wsewolod Saderazki auf. Am Abend des 18. Juni spielt Dmitri Dragilew mit seiner Band „The Swinging Partysans“ im Foyer des Göttinger Accouchierhauses. Die Musiker präsentieren ab 20 Uhr Werke von Alexander Warlamow, Wadim Kosin und Eddie Rosner, dem legendären Trompeter, Komponisten und Bandleader, der die russische Jazzszene nachhaltig geprägt hat.

Kontaktadresse:
Felicitas Margret Behler
Internationales Symposium „Composers in the Gulag“
Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät – Musikwissenschaftliches Seminar
Kurze Geismarstraße 1, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-5072, Fax (0551) 39-9353
E-Mail: composers.in.the.gulag@uni-goettingen.de
Internet: http://www.uni-goettingen.de/de/111111.html