In publica commoda

Presseinformation: Göttinger Wissenschaftler entschlüsseln Genom von Mais-Schädling

Nr. 260/2010 - 09.12.2010

Sperrfrist: Donnerstag, 9. Dezember 2010, 20 Uhr

Forscher aus Göttingen und Marburg vergleichen Gene zweier sogenannter Brandpilzarten

(pug) Pilze sorgen weltweit für große Ertragsverluste bei Kulturpflanzen wie Mais oder Raps. Forschern der Universität Göttingen und des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg ist es gelungen, das Genom des Mais-Schädlings Sporisorium reilianum zu analysieren. Durch einen Vergleich mit dem Erbgut einer weiteren Pilzart, Ustilago maydis, konnten die Wissenschaftler neue Gene identifizieren, die für den Befall der Maispflanzen ausschlaggebend sind. Die Ergebnisse ihrer Arbeit werden am Freitag, 10. Dezember 2010, in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Bei beiden Pilzarten handelt es sich um sogenannte Brandpilze, die als Parasiten die Maispflanzen befallen. U. maydis verursacht die Mais-Beulenbrandkrankheit, bei der sich große, tumorartige Strukturen an Blättern, Kolben und männlicher Blüte bilden, in denen sich der Pilz vermehrt und Sporen bildet. Auch S. reilianum befällt Maispflanzen, infiziert aber die gesamte Pflanze. Die Symptome zeigen sich allerdings erst, wenn der Mais blüht. Bislang war unklar, durch welchen Mechanismus der Schädlingsbefall ausgelöst wird. Das haben Prof. Dr. Jan Schirawski vom Albrecht-von-Haller-Institut der Universität Göttingen und Prof. Dr. Regine Kahmann, Direktorin am Marburger Max-Planck-Institut, nun genauer erforscht.

Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass solche Pilze, die die Wirtspflanze nicht abtöten, zur Infektion Proteine in die Pflanze aussenden. Die Pflanze wiederum kann diese Proteine über ihre Rezeptoren erkennen und sich zur Wehr setzen, indem sie zum Beispiel ein Signal zur Verstärkung der Zellwand gibt, damit der Pilz nicht eindringen kann. Wird der „Angriff“ des Pilzes von der Pflanze abgewehrt, kann der Pilz nur überleben, wenn er seine Proteine entsprechend verändert und so versucht, die Abwehr der Pflanze zu umgehen. Jedoch kann die Pflanze ebenfalls ihre Rezeptoren „umbauen“ und so auch mutierte Proteine erkennen. „Wir sehen hier die Spuren eines sehr langen Kampfes zwischen verteidigender Pflanze und angreifenden Parasiten“, so Prof. Schirawski. „Die Vielfalt an Angriffs- und Verteidigungswaffen sind das Ergebnis eines Rüstungswettlaufs zwischen Pflanze und Pilz.“

Bei der Entschlüsselung der Genomsequenz von U. maydis vor vier Jahren wurde festgestellt, dass die Gene einer großen Zahl bisher unbekannter, vom Pilz ausgeschütteter Proteine auf den Chromosomen in Gruppen angeordnet sind – sogenannte Gencluster. Diese Proteine steuern die Kolonisierung der Wirtspflanze, also den Befall der Maispflanze durch den Schädling. Die Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass auch bei S. reilianum Proteine die Ausbreitung des Schädlings steuern. „Mehr als 90 Prozent der ausgeschütteten Proteine aus U. maydis kommen auch in S. reilianum vor“, so Prof. Schirawski. „Überraschenderweise sind die Gene beider Organismen in der gleichen Reihenfolge angeordnet, daher konnten wir die zwei Genome wie Blaupausen übereinander legen und auf diese Weise die Unterschiede sichtbar machen.“

Doch trotz der auf den ersten Blick großen Übereinstimmung fanden die Forscher auch gravierende Unterschiede: Beim Vergleich des Erbguts entdeckten sie insgesamt 43 so genannte Divergenzregionen, in denen die Gene der beiden Pilze nicht gleich waren. Daraufhin nahmen sie sechs zufällig ausgewählte Bereiche des Genoms genauer unter die Lupe, um herauszufinden, ob diese die Virulenz, also die Stärke des Befalls, beeinflussen. Das Ergebnis: Vier der sechs Divergenzregionen steuern die Infektionsstärke von U. maydis. Allerdings mit einer Besonderheit: Die untersuchten Divergenzregionen enthielten nicht nur Gene für ausgeschüttete Proteine, die ja, so die Annahme, eigentlich für die Kolonisierung der Wirtspflanze zuständig sind. In einer Region kamen ausschließlich Gene vor, die vom Pilz nicht nach außen in die Pflanze abgegeben werden. „Dies deutet darauf hin, dass noch weitere, bislang unentdeckte Moleküle das Verhältnis zwischen Pilz und Wirtspflanze steuern“, so Prof. Kahmann.

Die Gene beider Pilze unterscheiden sich genau in den Bereichen, die für den Befall der Maispflanzen wichtig sind. Vermutlich, so die Forscher, ist das auch eine Folge der unterschiedlichen Infektionsstrategien von U. maydis und S. reilianum. Diese könnten ein Grund dafür sein, dass die Pilze im Lauf der Evolution jeweils artspezifische Genvarianten gebildet haben, die möglicherweise an unterschiedlichen Stellen in die pflanzliche Immunantwort eingreifen.

Originalveröffentlichung: Jan Schirawski et al.: Pathogenicity determinants in smug fungi revealed by genome comparison. Science, 10. Dezember 2010, Vol. 330, Issue 6010. DOI: 10.1126/science.1195330.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Jan Schirawski
Georg-August-Universität Göttingen
Biologische Fakultät
Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften
Abteilung Molekularbiologie der Pflanze-Mikroben-Interaktion
Untere Karspüle 2, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-10845, Fax (0551) 39-7823
E-Mail: jschira@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/127791.html