In publica commoda

Presseinformation: Briefe von Einstein, Planck und Born auf dem Dachboden eines Privathauses

Nr. 218/2002 - 30.07.2002

Korrespondenz mit David Hilbert zwischen 1892 und 1932 – 132 Schreiben wiedergefunden

(pug) Briefe der Nobelpreisträger Max Planck, Walther Nernst, Albert Einstein, Peter Debye und Max Born an den Mathematiker David Hilbert (1862 bis 1943), die zeitweilig als verschollen galten, sind auf dem Dachboden eines Göttinger Privathaushaltes gefunden worden. Die insgesamt 132 Schriftstücke aus den Jahren 1892 bis 1932, die zudem Schreiben der Physiker Arnold Sommerfeld und Peter Ehrenfest, der Mathematiker Richard Courant und Hermann Weyl sowie einen Schriftwechsel mit dem preußischen Kultusministerium umfassen, hat der Historiker Klaus P. Sommer im Nachlass des Göttinger Mathematik-Dozenten Franz Rellich entdeckt. Die zum größten Teil noch nicht publizierten Briefe, die politische Ereignisse insbesondere um 1918 widerspiegeln, aber auch mathematisch-physikalische Erfindungen behandeln, sind von der Witwe des 1955 verstorbenen Wissenschaftlers verwahrt worden. Nach ihrem Tod im Jahr 2000 hat die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) diese „Quellen aus der großen Zeit der Physik Anfang des 20. Jahrhunderts“ erworben und sie der Forschung zugänglich gemacht. Sommer, der Mitarbeiter am Institut für Wissenschaftsgeschichte der Universität Göttingen ist, wird die Ergebnisse seiner Nachforschungen über den Weg der Schriftstücke in den „Berichten zur Wissenschaftsgeschichte“ (Berlin) veröffentlichen.

David Hilbert lehrte und forschte von 1895 an in Göttingen, sein wissenschaftlicher Nachlass blieb zunächst im Mathematischen Institut der Universität und wurde 1967 von der SUB-Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke übernommen. Der Leiter der Abteilung, Dr. Helmut Rohlfing: „Bereits kurz nach der Übernahme wurde ein detailliertes Verzeichnis erstellt, das Auskunft gibt über die im Nachlass enthaltenen Briefe an Hilbert, seine mathematischen Manuskripte und die zahlreichen Vorlesungsaufzeichnungen, die zum Teil von seinen bedeutenden Schülern stammen. Nach und nach wurde deutlich, dass offensichtlich einige Lücken in der wissenschaftlichen Korrespondenz bestanden. Vor 1967 sind einige besonders interessante Schriftstücke aus den Papieren entnommen worden.“ Der Historiker Sommer vermutet, dass dies - für biographische Arbeiten über Hilbert – auf Wunsch Courants geschehen ist. Richard Courant (1888 bis 1972), bis 1933 Leiter des Göttinger Mathematischen Instituts und von den Nationalszialisten beur-laubt, emigrierte in die USA, besuchte aber von 1947 an regelmäßig seine alte Wirkungsstätte. Über eine ehemalige Angestellte des Instituts gelangten die Briefe in die Hände von Rellichs Frau, bei der Courant zu Gast war.

Der Bestand der 132 Schriftstücke umfasst jeweils 21 Briefe von Born und Sommerfeld, 18 von Einstein an Hilbert und einen von Einstein an Sommerfeld, elf von Planck, sieben von Debye, sechs von Weyl, fünf von Courant, zwei von Nernst und einen von Ehrenfest sowie 39 Schreiben aus dem Briefwechsel mit dem Ministerium. Darunter sind auch zwölf Entwürfe von Antworten und Gutachten Hilberts. Klaus P. Sommer: „Felix Klein und David Hilbert hatten Göttingen zu einem Zentrum der Mathematik und Physik gemacht. Im preußischen Kultusministerium fanden sie energische Förderer ihrer Vorhaben.“

Mit Nernst, Debye und Born korrepondierte Hilbert zwischen 1913 und 1920 über die aufregenden wissenschaftlichen Entdeckungen ihrer Zeit, die Briefe Plancks von 1912/13 belegen eine scharfe Kontroverse zwischen beiden Wissenschaftlern über die korrekte Ableitung eines bestimmten Strahlungsgesetzes. Unter den 18 Briefen und Postkarten Einsteins an Hilbert sind auch einige Schreiben aus dem Jahr 1915, in dem sich der Physiker mit seinem Göttinger Kollegen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Entwicklung der Gravitationsgleichungen für die Allgemeine Relativitätstheorie lieferte. Nur zwei dieser Briefe Einsteins sind nach Angaben von Sommer noch nicht publiziert worden, die Originale der anderen galten aber als verschollen. Über die 21 ebenfalls verloren geglaubten Schreiben des Münchner Physikers Arnold Sommerfeld (1868 bis 1951) hat die Abteilung Handschriften und Seltene Drucke eine an der Universität München angesiedelte Arbeitsstelle informiert, die den Briefwechsel des Münchner Physikers herausgibt.

Hinweis an die Redaktionen:
Ein Foto von David Hilbert in seinem Göttinger Garten kann in der Pressestelle abgerufen werden.

Kontaktadresse:
Dr. Helmut Rohlfing
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
Abteilung Handschriften und Seltene Drucke
Papendienk 14, 37073 Göttingen
Tel. (0551) 39-5236, Fax (0551) 39-5384
e-mail: rohlfing@mail.sub.uni-goettingen.de
Internet: www.sub.uni-goettingen.de