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Presseinformation: Benötigen Spinnen zusätzliche Gene für ihre Netze?

Nr. 186/2014 - 14.08.2014



Göttinger Entwicklungsbiologen entschlüsseln alle aktiven Gene der Gewächshausspinne


(pug) In einer Gewächshausspinne sind deutlich mehr Gene aktiv als im Menschen. Außerdem verfügt sie über alle wichtigen Gene, die auch die Embryonalentwicklung des Menschen vorantreiben. Das hat ein internationales Forscherteam unter der Führung von Wissenschaftlern des Göttinger Zentrums für Molekulare Biowissenschaften (GZMB) der Universität Göttingen herausgefunden. Mithilfe neuester Sequenziermethoden haben die Wissenschaftler alle aktiven Gene der Gewächshausspinne Parasteatoda tepidariorum entschlüsselt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PLOS ONE erschienen.

Während im Menschen im Laufe seines Lebens etwa 25.000 Gene aktiv sind, verfügt die Spinne über bis zu 60.000 solcher Gene. Warum aber eine Spinne mehr als doppelt so viele aktive Gene benötigt wie der Mensch, ist derzeit noch unklar. „Wir vermuten, dass im Lauf der Evolution das Erbgut der Spinne verdoppelt wurde. Mit diesem zusätzlichen Genmaterial könnten neue Eigenschaften, wie zum Beispiel die Herstellung von Spinnseide zum Netzbau oder die Produktion von Giften zum Töten der Beute entwickelt worden sein“, erklärt der Leiter der Studie Dr. Nico Posnien von der Abteilung Entwicklungsbiologie der Universität Göttingen. „Hier wird die Entschlüsselung des gesamten Erbguts, an dem wir derzeit arbeiten, weitere Antworten geben.“

Die Gene und Mechanismen für die Organbildung bei Tieren werden seit über 50 Jahren hauptsächlich in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster erforscht. Seit zehn Jahren ist jedoch die Gewächshausspinne als alternatives Modell in der Forschung etabliert. Bereits 2003 konnten mit einer anderen Spinnenart wichtige Erkenntnisse erzielt werden: „Die bisherigen Ergebnisse zur Untergliederung des Fliegenembryos ließen kaum Ähnlichkeiten zu Wirbeltieren, zu denen auch der Mensch gehört, erkennen. Bei den neueren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass dieser wichtige Prozess in der Embryonalentwicklung bei Spinnen nicht nur sehr ähnlich wie bei Wirbeltieren abläuft, sondern auch noch durch die gleichen Gene gesteuert wird“, sagt Co-Autor Dr. Nikola-Michael Prpic-Schäper.

Inzwischen wird die Entwicklung zahlreicher Organe in der Gewächshausspinne untersucht, darunter das Gehirn, die Gliedmaßen und die Augen. Mit den neuen Erkenntnissen können Fragen nach den Gemeinsamkeiten der Organentwicklung bei Tier und Mensch umfassender geklärt werden. Nicht zuletzt können durch die jetzt entdeckten zahlreichen spinnen-spezifischen Gene auch Erkenntnisse darüber gewonnen werden, was die Spinne zur Spinne macht. „Dies ist möglicherweise bedeutsam dafür, wie Spinnengifte und -seide gebildet werden und zusammengesetzt sind. Erkenntnisse darüber können wiederum für industrielle und medizinische Zwecke eingesetzt werden“, so Dr. Posnien.

Originalveröffentlichung: Nico Posnien et al. „A comprehensive reference transcriptome resource for the common house spider Parasteatoda tepidariorum”, PLOS ONE, Doi: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0104885

Kontaktadresse:
Dr. Nico Posnien / Dr. Nikola-Michael Prpic-Schäper
Georg-August-Universität Göttingen
Johann-Friedrich-Blumenbach Institut für Zoologie und Anthropologie
Abteilung Entwicklungsbiologie
Justus-von-Liebig-Weg 11, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-20817
E-Mail: nposnie@gwdg.de, nprpic@gwdg.de
Internet: https://www.uni-goettingen.de/de/posnien-nico-dr-----developmental-biology-uni-bio/415209.html,
www.gwdg.de/~nprpic