Nachruf auf Professor Dr. Klaus Düwel
Am 31.12.2020 ist Klaus Düwel im Alter von 85 Jahren verstorben. Mit ihm verliert das Göttinger Seminar für Deutsche Philologie einen in allen Bereichen seines Wirkens hoch angesehenen Gelehrten, der in einzigartiger Weise fachliche Brillanz mit gesellschaftlicher Verantwortung und menschlicher Zugewandtheit verbunden hat. Für seine Forschungen in Germanistik, Nordistik und Runologie ist Klaus Düwel vielfach ausgezeichnet worden. Seminar und Universität verlieren in ihm einen jederzeit ansprechbaren Kollegen und engagierten akademischen Lehrer.Klaus Düwel wurde am 10. Dezember 1935 geboren. Zum Ende eines von verschiedenen Schwerpunkten geprägten Studiums in Göttingen, Tübingen, Wien und wieder Göttingen wandte sich Düwel der Mediävistik zu. Auf das Staatsexamen in Deutsch und Geschichte im Jahr 1961 (in Evangelischer Religion im Jahr 1963) folgte 1965 die Promotion bei Wolfgang Lange zu Werkbezeichnungen in der mittelhochdeutschen Literatur, 1972 die Habilitation mit einer Arbeit zur germanischen Religionsgeschichte. Nachdem Düwel seit 1974 als außerplanmäßiger Professor tätig gewesen war, hatte er von 1978 bis 2001 eine C3-Professur am Seminar für Deutsche Philologie inne. Die Verleihung der venia legendi ‚Deutsche Philologie‘ bedeutete für ihn, das Fach in der Lehre in seiner ganzen zeitlichen Ausdehnung von den Merseburger Zaubersprüchen über Klopstock bis hin zum Kinder- und Jugendbuch der Gegenwart abzudecken. Sein vorrangiges Interesse an der Gebrauchssituation von Texten lässt sich an der beeindruckenden Breite des in seinen Seminaren und Arbeiten behandelten Themenspektrums mit so unterschiedlichen Aspekten wie Fragen der Geburtshilfe, Tischsitten oder Anweisungen zur christlichen Lebensführung ablesen. Dass Klaus Düwel in der Lehre die Kleindichtung und hier besonders die Tierdichtung bevorzugte, fand seinen Niederschlag in einer Reihe von Publikationen vor allem zum ‚Reinhart Fuchs‘, zu dem er unter anderem die erste Edition unter Berücksichtigung der Kalocsaer Handschrift erstellte. Mit seinen kreativen und oft auch praktischen Ansätzen in der Lehre regte er die Studierenden an, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Düwels Arbeiten sind oft komparatistisch angelegt und ermöglichen der germanistischen Mediävistik damit vielfach überraschende Einblicke in die nordische Literatur, die sich seit der Habilitation als weiterer Forschungsschwerpunkt Düwels ausgebildet hat. Das Hauptgebiet seiner Forschungen war jedoch die Runologie. Seine 1968 erstmals und 2008 in vierter Auflage in der Sammlung Metzler erschienene Runenkunde ist ein unverzichtbares Hilfsmittel für alle, die sich einen Überblick über den Gegenstand und die Geschichte seiner Erforschung verschaffen möchten. Die Germanistik verliert mit ihm ihren mit Abstand besten Kenner auf diesem Gebiet. Seine Expertise war in seiner Tätigkeit als Fachberater für die zweite Auflage des ‚Reallexikons der Germanischen Altertumskunde‘ ebenso gefragt wie in seiner Beteiligung am Akademie-Projekt ‚Runische Schriftlichkeit in den germanischen Sprachen‘. In den ‚Runica minora‘, den 2015 erschienenen Ausgewählten kleinen Schriften Düwels zur Runenkunde, kann man sich einen Überblick über sein vielfältiges Interesse an diesem Gegenstand verschaffen.
Für seine Arbeit ist Klaus Düwel vielfach geehrt worden, unter anderem war er Mitglied der Wissenschaftsakademien Norwegens, Schwedens und Österreichs und Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Und neben Forschung und Lehre hat sich Klaus Düwel über viele Jahre in Göttingen gesellschaftlich engagiert, indem er zunächst von 1977 bis 1994 den Vorsitz der Volkshochschule Göttingen und dann von 2001 bis 2013 den Vorsitz der Universität des dritten Lebensalters übernahm.
Im Seminar für Deutsche Philologie und im Skandinavischen Seminar der Universität Göttingen war Klaus Düwel bis zu seinem Umzug nach Hamburg im Herbst 2019 präsent. Von seiner Eigenschaft als fordernder und zugleich persönlich interessierter Lehrer zeugt der anlässlich seiner Emeritierung 2001 im Käte-Hamburger-Weg von seinen Studierenden gepflanzte Baum, die sogenannte Düwel-Linde. Für die Abteilung der germanistischen Mediävistik war er in den letzten Jahren ein wichtiger Gesprächspartner zur Wissenschaftsgeschichte, die differenziert zu betrachten er aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse von Seminar- und Universitätsgeschichte und seiner persönlichen Erfahrungen eindrücklich anmahnte. In der Skandinavistik wirkte er bis zuletzt als gefragter Mentor mit Kompetenz und gutem Rat. Und die Studierenden der Universität des Dritten Lebensalters, die Düwel über viele Jahre hin maßgeblich geprägt hat, werden sich seiner mit Respekt und Dankbarkeit erinnern.
Mit Klaus Düwel ist ein akademischer Lehrer und Wissenschaftler gegangen, der seinen Studierenden sowie Kolleginnen und Kollegen stets mit der gleichen genauen und wertschätzenden Aufmerksamkeit begegnete wie den Themen, die ihm aus wissenschaftlicher Überzeugung heraus am Herzen lagen. Wir werden ihn sehr vermissen.