Eine grundlegende, aktuelle wissenschaftliche Problemstellung zielt darauf ab, zu verstehen, wie Gehirne laufende Sinnesreize, frühere Erfahrung und zukünftige Verhaltensoptionen integrieren. Diese Forschergruppe untersucht, wie solch adaptives Verhalten organisiert wird, und zwar durch die Eigenschaften von einzelnen Nervenzellen, ihrer Synapsen und neuronalen Schaltkreisen.
Bisherige Forschungsansätze behandelten diese drei Ebenen weitgehend getrennt. Aber neuartige Zugänge, wie Optogenetik, zellspezifische Transgen-Expression, Konnektomik und Computer-basierte Modellierung, eröffnen nun neue Möglichkeiten, Gehirne integrativ hinsichtlich ihrer Verhaltenskontrolle zu untersuchen. Für ein solches Vorhaben ist die Taufliege Drosophila melanogaster ganz besonders gut geeignet, da sie ein einfaches Gehirn, jedoch eine Reichhaltigkeit an Verhaltensweisen und eine gute experimentelle Zugänglichkeit aufweist. Die Forschergruppe fokussiert sich dabei auf den Pilzkörper. Dies ist eine ursprüngliche Gehirnstruktur, die aus nur etwa 2500 Neuronen besteht. Sie integriert den Eingang mehrerer sensorischer Modalitäten mit einer Modulation durch eine Reihe von biogenen Aminen und Signalpeptiden. Die neuronale Berechnung des Pilzkörpers wird dann mit angeborenen Verhaltenstendenzen integriert, um adaptives Verhalten ermöglichen. Interessanterweise weist der Pilzkörper strukturelle, funktionelle und entwicklungsbiologische Ähnlichkeiten mit diversen Gehirnstrukturen von Säugetieren, wie dem Cortex, dem Cerebellum und dem Hippocampus, auf. Er stellt somit einen ursprünglichen, einfach gestalteten, funktionell kompakten und mehrere Zwecke erfüllenden Organisator adaptiven Verhaltens dar. Man kann ihn insofern als einen paradigmatischen Fall dafür betrachten, wie ein Gehirn arbeitet.
Dies im Blick verfolgen wir einen integrativen Forschungsansatz, der nur unter den Rahmenbedingungen einer Gruppe von Forschern möglich ist, die ganz unterschiedliche Expertisen mit einbezieht. Die Forschergruppe besteht aus sechs Laboren an vier Universitäten, einem Institut der Helmholtz-Gemeinschaft und einem Leibniz-Institut. Die Forschungsprojekte decken ganz grundlegende Aspekte ab, welche in ihrer Gesamtheit zu einem umfassenderen Modell der Gehirnfunktion beitragen sollen. Insofern bietet die beantragte Forschergruppe eine einzigartige Möglichkeit, Expertisen synergistisch so zusammenzufassen, dass ein besseres Verständnis darüber möglich wird, wie eine zentrale Gehirnstruktur zur Auswahl, Erzeugung und Kontrolle von Verhaltensweisen beiträgt. Um generelle Arbeitsprinzipen einer solchen Gehirnstruktur zu abstrahieren, umfasst die Forschergruppe auch theoretische und computergestützte Ansätze. Die Aufklärung eines einfachen, bewährten Systems wie des Pilzkörpers von Drosophila, birgt auch langfristig das Potenzial, das Design sich adaptiv verhaltender, technischer Geräte zu beeinflussen.