Responsible Innovation



Die Wirtschaftswissenschaften in Göttingen führen methodologisch alle Entscheidungen und Handlungen auf Präferenzen des Individuums zurück. Im Mittelpunkt der Forschung steht folglich der/die souveräne, selbst entscheidende Akteur*in, z.B. als Konsument*in oder Unternehmer*in. Diese Individuen treiben Entwicklungs- und Veränderungsprozesse voran, um neuartige Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden und durchzusetzen. Diese Grundidee einer aufgeklärten, verantwortungsbewussten Innovationstätigkeit von ökonomischen Akteur*innen (Individuen oder Organisationen), "Responsible Innovation", bildet das Leitbild der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Forschung und Lehre.



Das Modell des aufgeklärten Individuums hat Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen, und zwar auf der institutionellen, marktlichen, betriebs- und volkswirtschaftlichen sowie auf der globalen wirtschaftlichen Ebene. Diese Auswirkungen sind Gegenstand der Forschungsaktivitäten der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Ihre Forschungsthemen bearbeiten die Wissenschaftler*innen einerseits mit vielfältigen ökonometrischen und experimentellen Forschungsmethoden sowie andererseits mit formal-analytischen Modellierungsansätzen.



Ihre vielseitigen, interdisziplinären Forschungsaktivitäten bündelt die Fakultät in den drei Schwerpunkten "Governance and Compliance", "Marketing and Consumer Science" sowie "Global Change and Development".






  • Governance and Compliance



    Der Forschungsschwerpunkt "Governance and Compliance" befasst sich mit der Ausgestaltung und Wirkung von Institutionen zur Steuerung von Organisationen, beispielsweise als Corporate Governance mit Fragen der nachhaltigen, verantwortungsvollen Unternehmensführung. Den Rahmen der Governance geben dabei Rechtsnormen vor.



    Formale Rechtsnormen oder auch organisatorische Regeln (z.B. Unternehmenssatzungen oder Entlohnungssysteme) setzen auf Verhaltenssteuerung und greifen daher auf Verhaltensmodellierungen zurück. Aber nicht nur das Recht, sondern auch alle wirtschaftlichen Akteurinnen und Akteure benötigen für ihre Aktivität eine Vorstellung von dem Verhalten etwa der Wettbewerber*innen, Mitarbeitenden, Kund*innen oder Aktionär*innen, um veränderte Rahmenbedingungen zu bewerten und Strategien neu auszurichten.



    Mit dem "Homo Oeconomicus" bieten die Wirtschaftswissenschaften ein Verhaltensmodell an, das sie mit ausdifferenzierten Methoden empirisch überprüfen und anpassen. Die verwendeten Methoden reichen von statistisch-ökonometrischen Untersuchungen und Auswertungen großer Datensätze bis hin zu experimentellen Studien, die das Verhalten von Akteuren und deren Beweggründe analysieren. Darüber hinaus werden in der Verhaltensökonomik mittels spieltheoretischer Experimente auch alternative Verhaltensmodelle im Bereich des wirtschaftlichen Handelns erprobt und in der Folge in der Theorie berücksichtigt. Für diese Experimente hat die Fakultät das "Göttingen Laboratory of Behavioral Economics" (Göttinger Labor für Verhaltensökonomik) unter der Leitung von Prof. Dr. Claudia Keser, Professur für Mikroökonomik, eingerichtet.



    Ein besonders interessantes Feld der Governance ist die Compliance und damit die Frage, wie sich Akteur*innen nicht nur auf staatliche und überstaatliche, sondern auch auf durch freiwillige oder (Pflicht-) Zusammenschlüsse entwickelte Lenkungsvorhaben einstellen. In Unternehmen können dies zum Beispiel Selbstverpflichtungen zur fairen Vergütung oder zu einer ökologisch wie ethisch nachhaltigen Einkaufs- und Produktionspolitik sein. Die normative Entwicklung solcher Institutionen im Einklang mit dem Leitbild der "Responsible Innovation" und deren empirische Betrachtung ist ein weiterer Kernbereich der Forschungsaktivitäten in diesem Forschungsschwerpunkt.







  • Marketing and Consumer Science



    Gegenstand des Forschungsschwerpunkts "Marketing and Consumer Science" sind alle Unternehmensaktivitäten, die dazu dienen, an Marktanforderungen ausgerichtete Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und den Konsument*innen verfügbar zu machen.



    Zum einen beschäftigen sich die im Forschungsschwerpunkt tätigen Wissenschaftler*nnen mit der unternehmensübergreifenden Gestaltung von Wertschöpfungsketten vom Rohstofflieferanten bis zum Endkunden, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Zergliederung und Spezialisierung von Wertschöpfungsaktivitäten. Alle Stufen der Wertschöpfungskette sollen dabei im Sinne einer "Responsible Innovation" dazu beitragen, den Nutzen aller gesellschaftlichen Anspruchsgruppen langfristig zu erhöhen.



    Die Forscher*innen entwickeln Ansätze zur ganzheitlichen Analyse von Märkten sowie zur Gestaltung von Austauschbeziehungen mit Wertschöpfungspartnern (Kunden, Zulieferern und Investoren) und gesellschaftlichen Anspruchsgruppen (Öffentlichkeit, staatliche Institutionen, nicht-staatliche Organisationen). Da komplexe, vernetzte Wertschöpfungsketten zunehmend der Forderung nach einer nachhaltigen Entwicklung ausgesetzt sind, stehen auch Strategien zur Steigerung der Ressourceneffizienz und zur Erhöhung der Anpassungsfähigkeit von Wertschöpfungsprozessen im Mittelpunkt der Forschung.



    Auf der individuellen Verhaltensebene untersuchen die Wissenschaftler*innen das Kauf-, Entscheidungs- und Informationsverhalten von Konsument*innen. In erster Linie interessieren die Forscher*innen dabei die neuen Formen der Kommunikation und Interaktion, die durch die Digitalisierung großer Teile fast aller Wirtschafts- und Lebensbereiche entstanden sind. Ebenso werden leistungsfähige Methoden erforscht, um (scheinbar) chaotische Daten, die durch reale und digitale Interaktionen mit Konsument*innen im Rahmen von Innovations- und Marketingprozessen produziert werden, in wertvolles Konsumentenwissen zu verwandeln.



    Zentrales Ziel aller Forschungsvorhaben des Schwerpunkts ist eine theoretisch fundierte und empirisch abgesicherte Unterstützung sowohl von unternehmerischen Entscheidungsprozessen als auch von Entscheidungen gesellschaftlicher bzw. politischer Akteur*innen.







  • Global Change and Development



    Der Forschungsschwerpunkt "Global Change and Development" befasst sich mit den Wandlungsprozessen der Weltwirtschaft sowie insbesondere den Problemen von Ländern mit niedrigem Einkommen. Im Bereich "Development" ist er deutschlandweit einmalig. Die methodische Ausrichtung ist insgesamt stark quantitativ.



    Zentrales Thema im Bereich "Development" ist die Entwicklung und Überprüfung von Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, die im Rahmen der UN Vollversammlung von 2016 verabschiedeten "Sustainable Development Goals" (Ziele für eine nachhaltige Entwicklung) für die internationale Staatengemeinschaft bis 2030 zu erreichen. Hierzu zählen etwa die Überwindung von extremer Armut und Hunger, die Verbesserung von Bildung und Gesundheit sowie der verantwortungsvolle Umgang mit der Umwelt.



    Weitere wichtige Gebiete sind die komparative, d.h. vergleichende, Entwicklungsforschung, welche die bestimmenden Faktoren langfristiger Wirtschaftsentwicklung untersucht, und der Bereich der globalen Gesundheit. Ebenso bilden die Untersuchung des Einflusses der demografischen Entwicklung auf die Wirtschaftsleistung eines Landes, die globalen Ursachen und Konsequenzen des Klimawandels sowie die Analyse von globalen Handelsbeziehungen in einer komplexer werdenden Weltwirtschaft wichtige Forschungsthemen.







  • Interdisziplinarität



    Ergänzt werden die drei großen Forschungsschwerpunkte von den "Querschnittsbereichen" Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftspädagogik, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Statistik und Ökonometrie. Sie sind schwerpunktmäßig mit jeweils einem Kernbereich verbunden, darüber hinaus aber interdisziplinär angelegt.



    Alle Forschungsschwerpunkte und Querschnittsbereiche der Fakultät decken darüber hinaus Fragestellungen und Profile ab, die zur Vernetzung mit anderen Wissenschaftsdisziplinen einladen. Die Grenzen zwischen den Forschungsschwerpunkten sind durchlässig, so dass Wissenschaftler*innen verschiedener Schwerpunkte in zahlreichen Verbundprojekten miteinander kooperieren.











Bibliotheksgebäude in der Abenddämmerung. Die Fenster des Gebäudes sind hell erleuchtet.