Nachhaltigkeitsexperten fordern Ende naturzerstörender Fehlanreize
Investitionen in den Erhalt der Natur- und Artenvielfalt bringen doppelte Rendite. So lautet eine Kernaussage des neuen Zwischenberichts des internationalen Forschungsprojekts „The Economics of Ecosystems and Biodiversity” (TEEB), der am 02. September in Berlin vorgestellt wurde. Eine wirtschaftliche Betrachtung von Biodiversität eröffne Wege, kostengünstig die Erderwärmung abzubremsen und gleichzeitig Milliardenrenditen zu erwirtschaften, so die TEEB-Forscher. Ihrem Bericht zufolge sichert eine Finanzspritze in Höhe von 45 Milliarden US-Dollar in den Erhalt von Naturschutzgebieten Ökosystemleistungen im Wert von fünf Billionen US-Dollar pro Jahr – in Form intakter Böden oder sauberen Wassers. Um den Wert der natürlichen Biodiversität zu erhalten, muss die Politik nach Ansicht des Rates für Nachhaltige Entwicklung schädliche Fehlanreize beseitigen, die sie in den vergangenen Jahren selbst geschaffen hat.
Der Nachhaltigkeitsrat hat die Bundesregierung in seiner dem Bundeskabinett im April 2008 vorgelegten Biomasse-Empfehlung aufgefordert, von einer verbindlichen Beimischungspflicht von Biokraftstoffen zum herkömmlichen Treibstoff Benzin Abstand zu nehmen. Ratsmitglied Hubert Weinzierl, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, kritisierte die durch die Beimischungspflicht eingeleitete „überzogene Produktion von Biosprit“ als nachhaltigkeitsschädliche Fehlentwicklung. Der Beitrag der Biomasse zum Klimaschutz sei unklar, heißt es in der Ratsempfehlung. Der durch die Beimischungspflicht forcierte Anbau einiger weniger Energiepflanzenarten leiste Monokulturen und Artenverlust Vorschub. Dies gelte für die Herstellung von Palmöl, Soja und Zuckerrohr in Indonesien und Brasilien. Es gelte aber auch für Deutschland, wo sich der Mais- und Rapsanbau negativ auf die „Biodiversität und die landschaftliche Vielfalt auswirken“ könnten.
Das Beratungsgremium der Bundesregierung hat zudem schon im Juli 2004 in seiner Empfehlung zur Senkung des Flächenverbrauchs deutlich gemacht, dass die ungebremste Ausdehnung von Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland die Zerschneidung natürlicher Lebensräume und das verschärft. Dem Flächenfraß fallen hierzulande zurzeit jeden Tag rund 113 Hektar Land zum Opfer – das entspricht etwa 161 Fußballfeldern. Insbesondere den Bau neuer Straßen betrachten die Nachhaltigkeitsexperten der Bundesregierung als eine „der wesentlichen Ursachen für die Bedrohung von Flora und Fauna“. Politisch gefördert wird diese Bedrohung bis heute durch die Entfernungspauschale, mit der Arbeitnehmer die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz steuerlich geltend machen können. Die „Pendlerpauschale“, schreibt der Nachhaltigkeitsrat, schaffe einen „starken Anreiz zur Zersiedlung“, da sie es erlaube, Wohn- und Arbeitsplatz weit voneinander entfernt zu legen und die entstehenden Umweltkosten „auf die Allgemeinheit abzuwälzen“. Der Rat empfiehlt deshalb ihre „ersatzlose Streichung“.
Dass die Politik in Sachen Natur- und Artenschutz heute noch falsche Anreize setzt, bestätigt die Präsidentin des Bonner Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Beate Jessel. In einem Ende August veröffentlichten Memorandum wirbt sie gemeinsam mit 19 deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dafür, die Leistungen, die Ökosysteme etwa durch Bereitstellung sauberen Wassers, intakter Böden oder die Artenvielfalt erbringen, auch „ökonomisch in Wert zu setzen“. Zu den Unterzeichnern des Papiers zählt unter anderem Georg Teutsch, wissenschaftlicher Direktor des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und Mitglied im Nachhaltigkeitsrat.
Die Forscher plädieren nicht für ein Ende aller Subventionen, sondern für „richtige Anreize“. „Wenn die ökonomischen Anreize so gesetzt werden, dass Naturerhalt honoriert wird“, sagt UFZ-Landschaftsökonom Frank Wätzold, dann „werden die wirtschaftlichen Akteure selbst Ideen und Know-how entwickeln, um Naturschutz kostengünstig und effizient zu betreiben“.
(Quelle, Rat für Nachhaltige Entwicklung: nachhaltigkeitsrat-news)