Forscher sehen Atomenergie auf dem Rückzug

Die Atomenergie ist international auf dem Rückzug. Dieses Fazit zieht die Ende August vom Bundesumweltministerium (BMU) veröffentlichte Studie Welt-Statusbericht Atomindustrie 2009. Dem Bericht zufolge gehen derzeit weltweit mehr Meiler vom Netz als neue hinzukommen. Eine Trendwende zu mehr Atomenergie, so die Autoren um den Pariser Energie- und Atompolitik-Experten Mycle Schneider, sei aufgrund unzureichender industrieller Kapazitäten und steigender Kosten für die Inbetriebnahme neuer Atomkraftwerke nicht zu erwarten.

Laut Bericht waren im August 2009 weltweit 435 Atomreaktoren in Betrieb – neun weniger als noch im Jahr 2002. Davon standen 144 in den 27 Staaten der heutigen Europäischen Union. 1989 waren es hier noch 177 Reaktoren. Den Beitrag der 435 Atommeiler zur globalen Stromversorgung veranschlagen die Autoren auf weniger als 14 Prozent, Tendenz fallend. Allein um die künftig erwarteten Reaktorstilllegungen zu kompensieren, müssten neben den 52 weltweit geplanten Reaktoren bis zum Jahr 2015 42 weitere Atomkraftwerke geplant, gebaut und in Betrieb genommen werden. Das sei aufgrund begrenzter Fertigungskapazitäten der Industrie und eines „besorgniserregenden Defizits“ an Fachpersonal „schlicht unmöglich“, so die Autoren.

Die von Atomkraft-Befürwortern immer wieder genannte „Renaissance der Atomenergie“ finde nicht statt, kommentierte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die Ergebnisse der von ihm in Auftrag gegebenen Studie. Die Zukunft liege im Ausbau erneuerbarer Energien und in der Steigerung der Energieeffizienz. Dafür wirbt auch ein zeitgleich von Greenpeace Deutschland veröffentlichtes Energiekonzept für Deutschland, erarbeitet von dem Aachener Beratungsunternehmen EUtech. Nach Ansicht der Autoren des „Klimaschutz: Plan B 2050“ überschriebenen Konzepts kann Deutschland trotz steigenden Stromverbrauchs schon im Jahr 2015 komplett aus der Atomkraft und bis zum Jahr 2040 auch aus der Kohleverstromung aussteigen, wenn es die Nutzung regenerativer Energien massiv ausbaut.

Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung, begrüßt den im „Welt-Statusbericht Atomindustrie 2009“ skizzierten Trend, denn die Kernenergie sei „weder im ökologischen noch im ökonomischen und sozialen Sinne nachhaltig. Solange eine Proliferation von Nuklearmaterial nicht auszuschließen ist und ein Grauschleier über der Grenze zwischen ziviler und militärischer Nutzung von Kernenergie liegt, halte ich sie für ein Friedensrisiko.“ Hauff sieht in der Kernenergie auch keine Lösung für das Klimaproblem: Seiner Einschätzung nach können sich die meisten Staaten schon aus Haftungs- und Überwachungsgründen keine Kernenergie leisten. Außerdem, so Hauff, stelle das ungelöste Problem radioaktiver Abfälle „ein langfristiges Umweltrisiko“ dar: „Die Kosten für ihre Lagerung und Absicherung werden zum großen Teil dem Steuerzahler sowie kommenden Generationen aufgebürdet.“ Wirklich nachhaltig seien nur erneuerbare Energieträger.

Bereits in seinem Ende Oktober 2008 veröffentlichten Positionspapier zu aktuellen Fragen der Klima- und Energiepolitik drückte der Nachhaltigkeitsrat seine Skepsis gegenüber der Kernenergie aus. „Wollte die Klimapolitik auf die Kernenergie-Option setzen“, heißt es darin, müssten weltweit „mindestens 1.000 bis 2.000 neue Anlagen gebaut werden“. Dies zu schaffen, sei nicht realistisch. Über die Frage der Laufzeitverlängerungen bestehender Meiler sind die einzelnen Ratsmitglieder zwar unterschiedlicher Auffassung. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass längere Laufzeiten auf keinen Fall den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien „versperren oder verlangsamen“ dürfen.

(Quelle, Rat für Nachhaltige Entwicklung: nachhaltigkeitsrat-news)