Klimahilfen für arme Länder: EU–Staaten uneins über Kopenhagen-Kurs

100 Milliarden Euro jährlich – so hoch sind nach Berechnungen der Europäischen Kommission die Kosten, die Entwicklungsländer in den nächsten elf Jahren im Kampf gegen die Erderwärmung und für die Anpassung an seine Folgen stemmen müssen. Brüssel will sich an diesen Milliardeninvestitionen möglicherweise mit zwei bis 15 Milliarden Euro im Jahr beteiligen, um so einen Stillstand bei den für Ende Dezember im dänischen Kopenhagen angesetzten internationalen Klimaverhandlungen zu vermeiden. Die Höhe der am 10. September von der Kommission vorgeschlagenen Milliardenhilfen bleibt umstritten. Zudem schwelt unter den Mitgliedsstaaten ein Konflikt um die Aufteilung der Kosten.

Nach Ansicht von Bundesumweltminister Gabriel reichen die Klimamilliarden aus. Die EU, so Gabriel, würde mit ihren Finanzierungsvorschlägen „ihrer Vorreiterrolle gerecht“ und bringe damit Bewegung in die Diskussion um einen Kyoto-Nachfolger. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas sprach von einem „ausgewogenen Entwurf“. Der Vorschlag verdeutliche die „strategische Bedeutung“, die die Kommission den Gesprächen in Kopenhagen beimesse. Die Entwicklungsländer hatten in der Vergangenheit stets betont, dass konkrete Finanzzusagen der Industrieländer Voraussetzung für ein neues Klimaabkommen sind.

Allerdings zweifeln Presseberichte die von Gabriel und Dimas demonstrierte Geschlossenheit an. Die Süddeutsche Zeitung etwa schreibt unter Berufung auf Quellen in der EU-Verwaltung, einige Mitgliedsstaaten übten erheblichen Druck auf die Kommission aus und überlegten, in Kopenhagen mit eigenen, nationalen Klimaschutz-Finanzierungszielen anzutreten. Das Blatt nennt in diesem Zusammenhang Deutschland, Großbritannien, Italien und Polen.

Umweltschützer halten die von der EU in Aussicht gestellten Mittel ohnehin für zu gering. Die in Frankfurt ansässige Umweltstiftung WWF Deutschland veranschlagt den Finanzierungsbedarf in den Entwicklungsländern mit 110 Milliarden Euro pro Jahr zwar ähnlich hoch wie die Kommission. Davon müsse Europa jedoch 35 Milliarden Euro im Jahr schultern – also bis zu 17 mal so viel wie Brüssel zurzeit vorschlägt. Die EU-Kommission vertritt die Position, dass die Entwicklungsländer selbst bis zu 40 Prozent der jährlichen Kosten tragen sollten. Weitere 40 Prozent erhofft sie sich in Form von Erlösen aus dem internationalen Emissionshandel.

Nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace sah die Kommission in einem früheren Entwurf des Klimahilfeplans noch 13 bis 24 Milliarden Euro an direkten jährlichen Hilfszahlungen vor. „Intensiver Druck der EU-Mitgliedsstaaten“ hätte dies jedoch verhindert. Der Klimaexperte Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam Deutschland befürchtet, dass der „längst überfällige“ Finanzierungsplan in seiner derzeitigen Form die Entwicklungsländer zwinge, den Klimaschutz großenteils selbst zu bezahlen. Die Kommission deklariere in ihrem Vorschlag zudem Entwicklungshilfegelder um, so Kowalzig. Dieses Geld fehle in den armen Ländern künftig für Bildung oder Gesundheit.

Die offiziellen Entwicklungshilfezahlungen der reichen Länder beliefen sich nach Angaben der Vereinten Nationen im Jahr 2007auf rund 100 Milliarden US-Dollar, wovon rund 21 Milliarden US-Dollar in den Klimaschutz flossen. Ein „hohes Mehrfaches dieser Summe“ werde aber benötigt, wenn es der Weltgemeinschaft ernst sei mit dem Wandel zur CO2-armen Zukunft, schreibt das UN-Büro für Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten (UNDESA) in einer Anfang September veröffentlichten Studie. Um in Entwicklungsländern eine sichere und nachhaltige Energieversorgung aufzubauen und gleichzeitig Klimaschutz und Wirtschaftswachstum gewährleisten zu können, müssen demnach jährlich zwischen 500 und 600 Milliarden US-Dollar investiert werden.

(Quelle, Rat für Nachhaltige Entwicklung: nachhaltigkeitsrat-news)