We are sorry

The contents of this page are unfortunately not available in English.

Press release: „Selbstbewusste Geste einer autonomen und international berühmten Universität“

Nr. 291/2006 - 12.09.2006

Kunstführer zum Aula-Gebäude der Georgia Augusta erschienen: Athen im Königreich Hannover
(pug) Zum 100-jährigen Bestehen der Georg-August-Universität Göttingen stiftete Wilhelm IV., König von Hannover und Großbritannien, der weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannten Hochschule einen repräsentativen Gebäudekomplex mit Festsaal: Das Aula-Gebäude – ein klassizistischer Bau mit enger Anlehnung an die griechische Antike – wurde 1837 am Wilhelmsplatz errichtet und verbindet auf besondere Weise Architekturgeschichte und Universitätsgeschichte: „Wie in einem Brennspiegel sind hier wichtige kulturelle Debatten der Zeit, die Rolle von Kunst und Architektur, das Wissenschaftsverständnis und die Stellung der Georgia Augusta gebündelt und reflektiert“, so die Autoren eines Kunstführers, der unter dem Titel „Das Aula-Gebäude der Göttinger Universität. Athen im Königreich Hannover“ erschienen ist. Prof. Dr. Marianne Bergmann (Göttingen) und Prof. Dr. Christian Freigang (Frankfurt) erläutern darin die wissenschaftshistorischen und kunstgeschichtlichen Bezüge eines Universitätsbauwerks, dessen Realisierung auch die „selbstbewusste Geste einer weitgehend autonomen und deswegen international berühmt gewordenen Universität“ war, wie die beiden Wissenschaftler betonen. Herausgegeben hat diesen Band mit Fotos von Stephan Eckardt der Deutsche Kunstverlag München/Berlin.
Die Universitätsverwaltung, das Konzil und das Universitätsgericht waren zunächst an anderer Stelle der Stadt in einem notorisch baufälligen und zu kleinen Gebäude untergebracht. Ein repräsentativer Bau für Feierlichkeiten fehlte vollständig. „So war das Aula-Gebäude zunächst einmal ein dringend notwendig gewordener großer Bau für Universitätsfeiern, die Räume der Akademie und der Universitätssammlungen sowie für Verwaltungszwecke“, betont Prof. Freigang. Doch bereits die Lage des Bauwerks zeigte, „dass die Universität nun auch zur wichtigsten stadtprägenden Institution geworden war“. Der Wilhelmsplatz war erst kurz zuvor zu einem neuen Zentrum des öffentlichen und kulturellen Lebens der Stadt ausgebaut worden. Die Entwürfe für das Aula-Gebäude stammen von Universitätsbaumeister Otto Praël, maßgeblich beeinflusst durch den Altertumswissenschaftler Karl Otfried Müller. Die Formensprache folgt klassizistischen Vorbildern und insbesondere Vorlagen von Karl Friedrich Schinkel, dem damals berühmtesten deutschen Architekten. Schinkels Bauvokabular sollte auch in Göttingen zum Ausdruck kommen, jedoch überprüft, ergänzt und verbessert anhand antiker Quellen, so der Kunsthistoriker von der Universität Frankfurt in seinem Beitrag zur Baugeschichte.
Das architektonische Ensemble des Aula-Gebäudes offenbart damit auch ein bestimmtes Verständnis von Wissenschaft, Kunst und Geschichte, das als charakteristisch für die historische Position der Georgia Augusta in dieser Zeit gelten kann, wie die beiden Autoren betonen. Die frühe Entstehung einer kritischen empirischen Geschichtsbetrachtung stellt eine Besonderheit der Göttinger Universität vom späten 18. bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts dar. So repräsentiert das auf die Antike bezogene Bauprogramm des Aula-Gebäudes das damalige Selbstverständnis weiter Teile der Universität, die Geschichte zur Leitdisziplin der Wissenschaften zu machen. In den ihr zugrundeliegenden kritisch-empirischen Forschungsmethoden sollten sich „die Kultur- und die Naturwissenschaften treffen“. Die heute bekannte Trennung hat es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben; sie war „vor allem noch nicht polemisch formuliert“, betont Prof. Bergmann. Die Direktorin des Archäologischen Instituts befasst sich in ihrem Beitrag zum Sitzungszimmer der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen insbesondere mit der Wanddekoration, die das Verhältnis der Wissenschaften zueinander thematisiert. In einem weiteren Aufsatz behandelt Privatdozent Dr. Thomas Noll vom Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Göttingen die so genannte „Königswand“. Sie versammelt die Portraits der königlichen Landesherren, die gleichzeitig „Rectores Magnificentissimi“ der Georgia Augusta waren.
Marianne Bergmann / Christian Freigang: Das Aula-Gebäude der Göttinger Universität. Athen im Königreich Hannover. Mit einem Beitrag von Thomas Noll. Großer DKV-Kunstführer. Deutscher Kunstverlag München/Berlin 2006, 48 Seiten, ISBN 3-422-02004-7, Preis 9,80 Euro
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Marianne Bergmann
Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät
Archäologisches Institut
Nikolausberger Weg 15, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-7501, Fax (0551) 39-2062
e-mail: sekretariat.archinst@phil.uni-goettingen.de
Internet: www.gwdg.de/~archaeo