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Press release: Pflanzenevolution mit und ohne Sex

Nr. 208/2013 - 30.10.2013

Göttinger Biologen untersuchen Gen-Mutationen in der Sammlung des Alten Botanischen Gartens

(pug) Wissenschaftler der Universität Göttingen und des Instituts für Kulturpflanzenforschung in Gatersleben haben verschiedene Arten der Fortpflanzung von Pflanzen untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass die Zahl der Gen-Mutationen bei sexueller und asexueller Fortpflanzung ähnlich hoch ist. Die asexuelle Fortpflanzung gilt bei natürlichen Populationen wegen des Verlusts von genetischer Variation und der Anhäufung nachteiliger Mutationen langfristig als „evolutionäre Sackgasse“. Allerdings war dieses Phänomen in der Pflanzenwelt bislang weitgehend unerforscht. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Molecular Ecology veröffentlicht.

Pflanzen können sich auf verschiedene Weise fortpflanzen: Neben der sexuellen Reproduktion ist auch asexuelle Samenbildung ohne Befruchtung, Selbstbefruchtung oder vegetative Vermehrung möglich. Die Wissenschaftler werteten rund 20.000 Gene des gelbblühenden Gold-Hahnenfußes (Ranunculus auricomus) aus, der in Mitteleuropa weit verbreitet ist. Sexuelle und asexuelle Pflanzen wiesen eine vergleichbare Zahl von Mutationen auf; nur bei wenigen mit der Fortpflanzung zusammenhängenden Genen wurden Unterschiede sichtbar.

„Die asexuellen Pflanzenlinien sind mit einem Alter von maximal 80.000 Jahren evolutionär sehr jung und durch Hybridisierung entstanden“, erläutert die Leiterin der Abteilung Systematische Botanik der Universität Göttingen, Prof. Dr. Elvira Hörandl. „Damit stellt sich die Frage, ob die Populationen noch zu jung für auffällige Mutationen sind oder ob diese durch natürliche Selektion laufend eliminiert werden.“ Voraussetzung für Letzteres wäre eine Fortpflanzung mit „gelegentlichem Sex“ – dies würde ausreichend Rekombination und Variation ermöglichen, was ein Ansatz für natürliche Selektion sein könnte.

„Jüngste Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass diese Hypothese zutreffen könnte“, so Prof. Hörandl. Studien am weißblühenden alpinen Küpfer-Hahnenfuß (Ranunculus kuepferi) haben gezeigt, dass genetische Vielfalt dadurch erhalten wird, dass die Pflanze sowohl auf sexuellem als auch auf asexuellem Weg Samen bildet. Populationen mit „ein bisschen Sex“ haben auch eine weitaus größere geografische Ausbreitung in den Alpen als die rein sexuellen Arten.

Die asexuelle Fortpflanzung mittels Samen birgt ein großes Potenzial für die Anwendung in der Pflanzenzüchtung. Die Wissenschaftler wollen nun in weiteren Untersuchungen in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt herausfinden, inwiefern sich die beiden Fortpflanzungstypen in ihrer Anpassungsfähigkeit an verschiedene ökologische Nischen unterscheiden und welchen Einfluss Kälte und Temperaturschwankungen auf die Art der Fortpflanzung haben. Die Pflanzensammlungen im Alten Botanischen Garten der Universität Göttingen ermöglichen es, diese Phänomene umfassend zu untersuchen: Die Wissenschaftler setzen die Pflanzen während der Blütezeit in speziellen Klimaschränken unterschiedlichen Klimabedingungen aus und untersuchen danach die Art der Fortpflanzung.

Originalveröffentlichungen:
Anne-Caroline Cosendai et al. Geographical parthenogenesis and population genetic structure in the alpine species Ranunculus kuepferi (Ranunculaceae). Heredity 2013. Doi: 10.1038/hdy.2013.1.

Marco Pellino et al. Asexual genome evolution in the apomictic Ranunculus auricomus complex: examining the effects of hybridization and mutation accumulation. Molecular Ecology 2013. Doi: 10.1111/mec.12533.


Kontaktadresse:
Prof. Dr. Elvira Hörandl
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Biologie und Psychologie
Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften
Abteilung Systematische Botanik
Untere Karspüle 2, 37073 Göttingen, Telefon (0551) 39-7843
E-Mail: elvira.hoerandl@biologie.uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/153591.html