Die Donauschwaben

Ungarn war schon immer ein Land, in dem auch andere Völker wohnten. Eine große Minderheit sind die Ungarndeutschen, auch Donauschwaben genannt. Sie kamen im 18. Jahrhundert in drei Wellen, die ersten unter Kaiser Karl VI. (1722-1726), die zweiten unter Maria Theresia (1763-1773) und die dritten unter Joseph II. (1782-1787). Sie stammten aus mehreren Gebieten Deutschlands, u.a. aus Schwaben, Bayern, Hessen und dem Rheinland. Als Siedlungsgebiete dienten das Ungarische Mittelgebirge, die Schwäbische Türkei, Batschka, Banat, Slawonien und Syrmien (heutiges Kroatien und Serbien) und das Gebiet um Sathmar im heutigen Rumänien. Man siedelte die Deutschen an, um das vom Krieg zerstörte Land wieder aufzubereiten und durch Fachkräfte die Orte aufzubauen. Sie brachten neue Techniken im Acker- und Hausbau mit und führten dort u.a. den heutigen Weinbau ein. Es entwickelten sich ganze ungarndeutsche Dörfer, oft auch nach den Ansiedlungswellen unterteilt, um nicht zwei Konfessionen in einem Dorf zu haben. Es gab aber auch Dörfer, in denen Ungarndeutsche und Ungarn friedlich nebeneinander lebten. Von den Ungarn unterschied sie nicht nur ihre Sprache, auch in den Charakterzügen und Verhaltensweisen gab es Unterschiede. Die Deutschen arbeiteten hart, und das mussten sie auch, denn der Wiederaufbau und die Aufbereitung der Gebiete kostete viel Arbeit und trug erst nach der dritten Generation Früchte. Man sagt auch: Dem ersten der Tod, dem zweiten die Not, dem dritten das Brot. Die Donauschwaben betrieben hauptsächlich Ackerbau, weswegen ihr Leben durch die Pflichten des Hofes geregelt war. Sie hielten – im Gegensatz zu den Ungarn – ihre Tiere in Ställen, schickten ihre Kinder in die Schule, die aber trotzdem schon früh am Hof mitarbeiten mussten. Die Arbeit wurde nicht wie bei den Ungarn scharf nach Geschlecht aufgeteilt, sondern jeder half dort mit, wo er konnte. In den Dörfern entwickelte sich ein großes Gemeinschaftsgefühl, wozu auch die gemeinsame, sich gegen die Ungarn abgrenzende Muttersprache beitrug. Musik und Tanz auf gemeinsamen Festen schafften einen guten Ausgleich zu der harten Arbeit. Donauschwäbische Dörfer Die Dörfer, die sich bildeten, haben einen planmäßigen Aufbau. Im Zentrum steht die Kirche, die im Nachbarock, auch „Siedlerbarock“ genannt, errichtet wurde. Auch bei den Häusern gab es einen Haupttyp. Aus dem Urtyp, dem Ansiedlerhaus, entwickelten sich das Kleinhaus und das Langhaus. Das Kleinhaus hat einen ähnlichen Aufbau wie das ursprüngliche Ansiedlerhaus, es umfasst ebenso ein Zimmer, Küche, eine Kammer, einen Stall und hatte die Schmalseite zur Gasse. Zudem war es mehrere Stufen höher, unterkellert, hatte mehr Fenster und großzügig gestaltete Türen. Das um 1800 entstandene Langhaus ist aus einem verlängerten Ansiedlerhaus entstanden. Es war ebenfalls ein paar Stufen höher und hatte an der Seite einen Säulengang. Vorne war der Wohnhof und hinten ein abgezäunter Wirtschaftshof mit Garten. Die Trachten Auch eine eigene Tracht brachten die Donauschwaben aus ihrer Heimat mit. Jedes Dorf hatte seine eigenen Trachten und Varianten, da die Siedler ja aus mehreren Gebieten Deutschlands stammten. Man unterschied die dörfische Tracht, das „schwowische Gwand“ von der „herrischen“ Kleidung der Stadtbevölkerung. Das wichtigste Material der dörfischen Werkstracht war Hanfleinen. Die Männer trugen ein langärmliges weißes Hemd, darüber eine schwarze Weste und ggf. auch eine Jacke. Dazu ein schwarzer Hut mit Krempe. Die Frauen trugen breite Hüftröcke, darunter viele schwere Unterröcke, damit sie von der Hüfte ab schön breit aussahen. Obenrum trugen sie eine weiße Bluse, darüber ein besticktes Jäckchen oder ein großes umgebundenes, besticktes Tuch. Auf dem Kopf trugen sie ein besticktes Häubchen und darüber ein Kopftuch. Je jünger die Frauen, desto bunter die Tracht, bis hin zur alten Frau mit schwarzer Tracht. An den Füßen trug man Lederschlappen oder Patschker, gestrickte Schuhe mit Verzierungen. Im Winter trug man auch höhere Schnürschuhe, die Bakantschen. Heutzutage tragen nur noch wenige ältere Frauen die Tracht im Alltag, die jüngeren nur bei donauschwäbischen Festen und Tanzveranstaltungen der Volkstanzgruppen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte man die in Ungarn lebenden Deutschen möglichst nicht mehr im Land haben. Es wurde etwa die Hälfte der Ungarndeutschen vertrieben, etwa 250 000; die im Land verbliebenen wurden enteignet.

Quellen: Fichtner, Christoph (1995): Deutsche Siedlung in Südosteuropa. Ein Überblick. Bederkesa.
Gehl, Hans (2003): Donauschwäbische Lebensformen an der mittleren Donau. Interethnisches Zusammenleben und Perspektiven. Marburg.
https://tudasbazis.sulinet.hu/hu/tarsadalomtudomanyok/tortenelem/az-ujkor-1492-1914/magyarorszag-a-18-szazadban/magyarorszag-talpra-all-osszegzes
https://vemend.hu/cikkek/

Text: Karin Fichtner
Bild: Privat