Erfahrungsbericht Groningen (2001 - 2002, B)

ERFAHRUNGSBERICHT Euroculture 2001/2002 - Göttingen/ Groningen



by Rana Göroglu


1. Sprachkurse und erstes Semester in Göttingen
Mein grundsätzlicher Tip zum gesamten einjährigen Euroculture Studiengang ist, sich so viel Freiräume dafür zu schaffen, wie möglich, da der Studiengang doch sehr arbeitsintensiv ist. Meiner Erfahrung nach empfiehlt es sich nicht, nebenher zu jobben, aber jede ist unterschiedlich belastbar und für manchE mag es kein Problem sein. Was ich noch sehr empfehlen kann ist schon vor Beginn des 1. Semesters einen Sprachkurs zu besuchen und v.a. das Angebot zu nutzen, im Sommer vor Beginn des Programms einen Intensiv-Sprachkurs in dem Land, in dem man das 2. Semester verbringen möchte, zu besuchen. Ich habe zunächst ein Semester lang einen Niederländisch-Kurs für Anfänger an der Uni Göttingen gemacht, der einmal wöchentlich stattfand und auch landeskundliche Aspekte enthielt. Nachdem ich mir dort erste Kenntnisse der Sprache angeeignet hatte, habe ich im Sommer vor Beginn des Euroculture-Jahres einen dreiwöchigen Intensiv-Kurs in den Niederlanden gemacht. Auf diese Weise konnte ich mich sowohl mit der Sprache als auch mit meiner zukünftigen Uni und meinem Aufenthaltsort für das 2. Semester vertraut machen. Die Uni kommt insgesamt für einen Sprachkurs auf, ihr habt also die Wahl, ob ihr vor oder während des 2. ECSemesters einen Kurs besuchen wollt.


2. Themenwahl und zweites Semester in Groningen
Ein anderer Tip aus eigener Erfahrung ist, sich tatsächlich schon frühzeitig für ein potentielles Master Thema zu entscheiden. Ich selbst hatte bereits mein IP-Paper zu dem selben Oberthema geschrieben, mit dem ich mich dann auch in der Master-Arbeit befaßt habe. Das war eine enorme Arbeitserleichterung, selbst wenn das Thema meines IP-Papers und meiner MA Thesis in ihrem Fokus keinesfalls identisch waren. Beachten sollte man, daß das Oberthema des Euroculture-Kurses in Groningen sich nicht an dem Jahresthema des Euroculture-Studienganges orientiert, sondern grundsätzlich unter dem Oberthema ‘Questions of a European Cutural Identity’ steht. Man muß dann im Einzelfall mit dem Leiter des Programmes in Groningen (Rien T. Segers) klären, ob er mit dem Thema für das man sich eventuell schon während des 1. Semesters entschieden hat, einverstanden ist. In jedem Fall erwartet der Kursleiter eine intensive Beschäftigung mit ‘seinem’ Thema (European Cultural Identity), unabhängig davon, worüber man seine Master Thesis schreiben will. In unserem Fall hatten wir pro Woche zwei Aufsätze aus einem Reader zu lesen, zusammenzufassen und zu kommentieren, eine Bibliographie mit abstracts zu 10 verschiedenen Titeln zu erstellen, ein Kurzreferat zu einem Artikel zu halten, der uns besonders gut gefallen hat und ein 15seitiges research paper zu verfassen, daß idealerweise das Thema des Kurses und unserer Master Thesis miteinander verknüpfen sollte. Man muß sich darüber im Klaren sein, daß man im Zweifelsfall - am besten als Gruppe - für Kritik an der Seminargestaltung oder zu viel Arbeitsaufwand protestieren muß. In unserem Fall war es so, daß wir letztlich ein research paper schreiben ‘durften’, daß dann der erste Teil unserer MA Thesis sein sollte, in der Praxis stieß es dann aber doch auf Kritik, wenn man sich nicht mit dem Thema des Kurses (European Cultural Identity/ Nationalism) befaßt hatte. Die Gutachter/ Betreuer für die MA Thesis werden einem zugeteilt, Sonderwünsche werden aber unter Umständen berücksichtigt. Für diejenigen, die sich für cultural studies mit Europaschwepunkt interessieren, empfiehlt es sich also besonders, nach Groningen zu gehen. Im Prinzip läuft der Kurs in Groningen jedesJahr relativ gleich ab. Andere Kurse braucht man nicht zu besuchen, so daß pro Woche zu der Arbeit an der Master Thesis ‘nur’ der Besuch des dreistündigen EC-Kurses, die Vorbereitung hierfür und eventuell noch ein Sprachkurs hinzukommt, für den erfahrungsgemäß aber kaum Zeit übrig ist. Schließlich besteht das Leben ja nicht nur aus Lernen und Arbeiten. Als besonders positiv habe ich empfunden, daß in Groningen bei der Zusammenstellung des 15köpfigen Kurses sehr darauf geachtet wurde, für eine möglichst große Vielfalt unter den TeilnehmerInnen zu sorgen, die sich kulturell über den europäischen Kreis hinaus erstreckte. Die Stimmung in der Gruppe war insgesamt sehr gut und wurde auch durch von Marloes oder uns selbst organisierte Freizeitveranstaltungen (Pfannekuchenessen, Ausflüge, gemeinsame ‘Feier’ des Grand Prix etc.) auf Trab gehalten. Schließlich sitzen alle in einem Boot – das schweißt zusammen. Wer nach Erlangung des Abschlusses nicht weiterstudieren möchte und z.B. ein Praktikum bei der Europäischen Kommission in Betracht zieht, sollte sich frühzeitig umhören und ggf. bewerben, wenn er/sie zu lange Wartezeiten zwischen dem Abschluß und einem Praktikum/Job vermeiden möchte. Zwecks Rückerstattung der Semestergebühren empfiehlt es sich, möglichst bald nach Ankunft in Groningen ein Konto bei der ABN Amro zu eröffnen, so daß ein Teil der Studiengebühren umgehend zurücküberwiesen werden kann (nähere Infos über Höhe der Gebühren und Verfahren im Einzelnen bei Marloes).


3. Wohnen und Fortbewegen in Groningen
Eine Bleibe kann man sowohl für einen kurzfristigen Aufenthalt zwecks Besuchs eines Sprachkurses als auch für das gesamte 2. Semester über den ‘woonservice’ vermittelt bekommen. Wenn man sich für einen Sprachkurs anmeldet bzw. für das 2. EC-Semester in Groningen akzeptiert ist, bekommt man von der Euroculture-Koordinatorin in Groningen (Marloes van der Wij) alle notwendigen Informationen. Bei ihr ist man wirklich in guten Händen und hat auch schon vor der Ankunft in Groningen immer eine Ansprechpartnerin, für welche Frage auch immer. Grundsätzlich ist die Wohnungssituation in den Niederlanden sehr angespannt, aber als Austauschstudie hat man den Vorteil, vom woonservice bis zu drei Angebote für ein Zimmer zu bekommen. Die Preise liegen i.d.R. über den deutschen, während der Standard der Wohnungen darunter liegt. In den internationalen Wohnheimen ist es zwar nett und es ist immer etwas los, man wird dort aber außer dem Hauswart kaum einen Niederländer antreffen und muß ggf. auch in Kauf nehmen, daß viele der Mitbewohner Erasmus-Studenten sind, die nicht so intensiven Arbeitsanforderungen unterliegen. Auf Wunsch vermittelt einem der woonservice auch niederländische WGs, die aber meist recht Zweck-orientierter sind. Oft fehlt ein Gemeinschaftsraum oder auch eine größere Küche, so daß jeder im Zimmer ißt. Nicht allein zwecks Teilhabe an dem niederländischen Fortbewegungsmittel par excellence empfiehlt es sich, ein Fahrrad anzuschaffen. Wegen der hohen Klaurate sollte das aber besser kein Luxusmodel sein. Fahrräder gibt es in speziellen 2nd hand Läden, am Bahnhof und bei gelegentlichen Versteigerungen von der Polizei. Da Groningen aber relativ überschaubar ist kann man auch viel zu Fuß erledigen, v.a. wenn man zentral wohnt. Für Ausflüge gibt es auch Fahrradverleihe (z.B. am Bahnhof), und günstige Zug- und Busverbindungen zu verschiedenen Orten. Es gibt für ausländische Studierende eine Karte, mit der man 40% Ermäßigung auf alle Verbindungen in den Niederlanden erhält und die unter Vorlage eines Studi- und Personalausweises am Bahnhof erhältlich ist.


4. Groningen bei Tag und Nacht
Grundsätzlich ist Groningen eine gute Stadt zum Einkaufen (Klamotten, Plattenläden, Flohmärkte, Blumen etc.), die besonders am Wochenende viele Besucher aus dem Umland und auch aus Deutschland anzieht. Das Einkaufen von Lebensmitteln, besonders von Gemüse, empfiehlt sich auf einem der Wochenmärkte (regelmäßig auf dem Vismarkt), da es dort meist billiger ist, als in den Supermärkten (außer bei Aldi vielleicht). Die billigsten Supermärkte sind denn auch letzterer (leider liegt der Aldi nicht so zentral im Korreweg) und ‘Super de Boer’ (Uninähe, Oude Boteringenstraat, Nähe Vismarkt). Wer auf der Suche nach ‘gescheitem’ Brot und einer Auswahl an verschiedenen, nicht Toast-änhlichen Sorten interessiert ist, dem kann ich nur den ‘Natuurwinkel’ (Gedempte Zuiderdiep, ggn. Kino Pathe) empfehlen, wo es verschiedene Voll- und Mischkornbrote und andere ökologische Lebensmittel gibt. Damit man auch in Groningen kraftvoll zubeißen kann. Mir persönlich liegt die eher fast food-orientierte niederlänsiche cuisine nicht so sehr, aber zum Glück sind die Niederländer kulinarisch ja sehr weltoffen und es gibt nicht nur viele nette Restaurants, sondern selbst in den Supermärkten kriegt man die Zutaten für asiatische, indische u.a. Gerichte. Wer an Kunst und Kultur interessiert ist, dürfte in Groningen auf seine Kosten kommen. Besonders im Sommer gibt es neben dem obligatorischen Besuch im Groninger Museum, unzählige Festivals, die zumeist draußen stattfinden und Musik, Theater, Tanz u.a. bieten. Über die Programme und kulturellen Angebote kann man sich entweder über das VVV (die Touri-Info, z.B. am Groten Markt) informieren oder aber über verschiedene Veranstaltungshefte und Kalender, die in Kneipen, Cafes und in der Uni ausliegen. Auch abends hat Groningen was zu bieten. Neben den eher dem VERA und dem Simplon (ersteres bietet erschwingliche Filmabende, Konzerte und Tanveranstaltungen verschiedener coleur, letzteres war früher mal eine Legende, tut sich aber schwer mit seinem Programm wieder Fuß zu fassen), gilt meine besondere Empfehlung dem USVA (Munnekeholm, zwischen Minerva und A-kerk), ganz besonders der ca. einmal im Monat sattfindenden ‘USVA Lounge’. Witziger Laden mit günstigen Eintritts- und Getränkepreisen, verschiedenen floors, Musikrichtungen und gerne auch experimentellen Sachen. Mein Lieblings-DJ ist Foefur, der sich v.a. dem Bereich des future jazz verschrieben hat und uns so einige Male bei Laune und auf der Tanzfläche gehalten hat. Sein Plattenladen heißt ebf. Foefur’s und ist in der Oude Kijk In ‘t Jatstraat. Unter den diversen Cafes und Kneipen im Dunstkreis der Poelstraat würde ich am meisten das ‘Pakhuis’ und die Jazzkneipe ‘Spieghel’ empfehlen (beide Peperstraat). Für tagsüber und auch Eltern- oder ähnlichen Besuch sind noch das gediegene Cafe mit Garten und sehr schönem Leseraum ‘t’fethuis’ (Grote Markt/St Jansstraat bei VVV runter) und der Apfelkuchenspezialist (ofenfrisch, auch mit Eis oder Vanillesoße) ‘Granny’s’ am Vismarkt/A-Kerkhof, ggn. A-Kerk, zu empfehlen. So, daß war jetzt alles, was mir so zum schönenm Groningen einfällt. Ich hoffe, ihr habt eine schöne Zeit dort, ich habe es jedenfalls nie bereut, mich für Groningen entschieden zu haben.