Der Saunageist

An unserem Institut gibt es nicht nur sprachwissenschaftliche Kurse. Die Studierenden befassen sich auch mit der Kultur und Folklore der finnougrischen Völker und den wesentlichen Themen der materiellen und immateriellen Kultur. In der nächsten Zeit wollen wir euch Einblicke in dieses Themengebiet geben und bringen euch daher das wohl bekannteste Kulturgut der Finnougrier näher: die Sauna.

Der Saunageist kann unter zwei Aspekten betrachtet werden: als abstrakte Seele, die im Saunadampf sichtbar wird, eine Energie, und als konkreter haltia.

Der Saunadampf hat im Volksglauben besondere Kräfte, die gut oder böse sein können. Das finnisch-ugrische Urwort für Saunageist und Saunadampf ist lyöly, das mit dem ungarischen Wort für Dampf, lélek, dem estnischen Wort leil und dem chantischen lil in Verbindung steht. Heute gibt es wissenschaftliche Erklärungen für die guten (Stärkung des Immunsystems, porentiefe Reinigung) und bösen (Kohlenmonoxidvergiftung, Überhitzung, Dehydratation) Eigenschaften des abstrakten Saunageistes.                       

In diesem Zusammenhang kann auch das tulen väki, die Energie des Feuers, Erwähnung finden. Damit steht beispielsweise in Zusammenhang, dass Frauen nicht zu nah am Saunaofen sitzen sollten, da sie sonst unfruchtbar werden könnten, oder dass dem vihta, den schwangere Frauen oder Frauen kurz nach der Entbindung benutzt haben, magische Kräfte zugeschrieben werden.

Der konkretere haltia kann der Hausgeist (tonttu) sein, der sich einfach gerne in der Sauna aufhält, oder ein eigener Saunageist, der saunatonttu. Dieser wacht über das Feuer der Sauna und es gibt zahlreiche Sagen, in denen er den Hausherren nachts weckt, kurz bevor die Sauna in Flammen aufgeht.

Für einen tonttu (und andere haltia) wird die Sauna an bestimmten Tagen speziell geheizt, ihm steht jedoch auch stets der letzte, bzw. dritte Saunagang zu. Das bedeutet, dass die Menschen in der Regel zwei Saunagänge machen, und dann ausreichend Hitze, Wasser, Seife und einen vihta für den Geist zurücklassen, der nach Sonnenuntergang in die Sauna geht. Die Vorstellung, dass der Geist nach den Menschen sauniert, ist bei Esten, Karelieren, und Finnen (Ostbottnien) bekannt. Bei den Mari und Udmurten wird er eher als ein böser Geist angesehen, was auf den christlichen Einfluss zurückzuführen ist. Es liegen genaue Vorschriften vor, etwa, dass man die Sauna auf keinen Fall nach Sonnenuntergang betreten darf und vor 18 Uhr mit dem Baden fertig sein muss.

Im Russischen ist der bánnik/bájennik bekannt, der erst in die Sauna geht, wenn die Menschen fertig sind, es noch warm genug ist und bereits dunkel. Dies wurde von den Ingriern und Woten übernommen. Auch der russische Saunageist ist eher ein böser Geist, mit dem man sich gut stellen muss.

Unabhängig von der genauen Vorstellung des Geistes muss er beim Betreten der Sauna immer begrüßt werden und, wie bereits beschrieben, lässt man ihm Wasser, einen Birkenquast und Seife liegen.

Text: Marina Loch

Quellen:
Sarmela, Matti. 2009: Finnisch Folklore Atlas. Helsinki.
Vahros, Igor. 1966: Zur Geschichte und Folklore der Grossrussischen Sauna. Helsinki.
https://journal.fi/elore/article/view/78212/39111, zuletzt aufgerufen am 12.07.2020
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