Makrophytenvegetation von Stillgewässern in Niedersachsen – Langzeittrends, Gefährdungsursachen und Perspektiven
Dissertation Friedemann Goral, betreut durch Prof. Dr. Erwin Bergmeier und Dr. Dominique Remy
Projektlaufzeit
2017 - ...
Hintergrund
Submerse Makrophyten stellen eine wichtige Grundlage zur Aufdeckung von Umweltveränderungen im aquatischen Milieu dar, da die Makrophytenflora verglichen mit der Dynamik anderer Gewässerparameter relativ konstant ist und Aussagen auf ökosystemarer Ebene ermöglicht (MELZER & SCHNEIDER 2001). Derzeit gehören v.a. charakteristische Arten meso- bis oligotropher Gewässer zu den am meisten gefährdeten Arten in Deutschland (KORNECK et al. 1998). Die Hauptursache dafür liegt in der Intensivierung der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der damit verbundenen Eutrophierung oder im Falle vieler kleinerer Gewässer vollständigen Habitatzerstörung (PARDEY 1994, ELLENBERG & LEUSCHNER 2010). Durch verbesserte Abwasserreinigung und gezielte Düngergaben in der Landwirtschaft konnten zumindest die Phosphoreinträge in den letzten Dekaden wieder auf das Nachkriegsniveau gesenkt werden (LEUSCHNER et al. 2013), was zu leicht positiven Entwicklungen in beobachteten Gewässern führte (BLÜML et al. 2008, SAND-JENSEN et al. 2008, KORTE et al. 2010). Gleichzeitig wirkt die Entstehung einer Vielzahl sekundärer Stillgewässer (z.B. Kiesgruben, Fischteiche, Naturschutzgewässer) dem Habitatverlust entgegen. In Hessen wurde zuletzt eine bemerkenswerte Anzahl gefährdeter Arten in Sekundärgewässern nachgewiesen (KORTE et al. 2009). Vermutlich aufgrund des erhöhten Kartieraufwandes sind vollständige Erfassungen von Wasserpflanzen in Stillgewässern aber selten.
Durch den langen Zeitraum der anthropogenen Eutrophierung und Landschaftsveränderung ist der Vergleich mit historischen Vegetationsdaten notwendig, um ein Verständnis über die Veränderungen von Makrophytengesellschaften zu erlangen. Es gibt jedoch nur sehr wenige Studien zur langfristigen Veränderung von Stillgewässervegetation, die über mehrere Dekaden reichen (u.a. HERR & TODESKINO 1988, HEJNÝ 1990, SAND-JENSEN et al. 2000, EGERTSON et al. 2004, BLÜML et al. 2008, VAN DE WEYER et al. 2009, OLDORFF et al. 2015), die meisten davon nur lokal. Ein aktuelles überregionales Bild fehlt für Deutschland und darüber hinaus.
Nicht nur aktuelle, sondern auch historische Vegetationsaufnahmen aus Stillgewässern sind rar. Eine vergleichsweise gute Datenbasis liegt für Nordwestdeutschland mit dem Reinhold-Tüxen-Archiv (HOPPE 2005) vor, welches für Niedersachsen mindestens 400 bis 500 relevante Aufnahmen aus dem Zeitraum 1930 bis 1970 enthält. Niedersachsen ist dabei als landwirtschaftlich geprägtes Land von den genannten Landschaftsveränderungen stark betroffen, was naturnahe Gewässer zu den am stärksten gefährdeten Biotoptypen macht (DRACHENFELS 1996, 2012). Mit derzeit etwa 27.000 Stillgewässern, davon ca. 3.600 größer als 1 ha, ist Niedersachsen damit ein geeigneter Untersuchungsraum.
Zielsetzung
Das Ziel des Promotionsvorhabens ist eine aktuelle Gesamtschau der Vegetation submerser Makrophyten in niedersächsischen Stillgewässern, die eine wichtige Basis für zukünftige Naturschutzplanungen und Effizienzkontrollen ist. Dabei ist sowohl die Berücksichtigung der historischen Entwicklung des Artenreichtums und der Artenzusammensetzung, als auch die der Ausdehnung und Verbreitung verschiedener Stillgewässertypen in der Landschaft von Bedeutung. Auf Grundlage dessen können Ursachen und Muster von Entwicklungstrends überregional dargestellt sowie bisherige Schutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.
Die Arbeit ist in drei Themenblöcke gegliedert:
- Erfassung überregionaler Langzeittrends der Makrophytenvegetation verschiedener Stillgewässertypen seit den 1940er Jahren
- Bilanzierung und Analyse der Flächenveränderungen von Stillgewässerhabitaten seit Ende des 19. Jh.
- Potenziale künstlicher Stillgewässer (Kiesgruben, Fischteiche, Naturschutzgewässer) für den Erhalt gefährdeter Gewässermakrophyten
Die besondere Herausforderung des Vorhabens liegt dabei in der Verknüpfung gewässer- und landschaftsbezogener Untersuchungen über relativ lange Zeiträume.
Methodik
Durch aktuelle Wiederholungsaufnahmen und historische Aufnahmen aus verschiedenen Zeiträumen wird die Entwicklung der Makrophytenvegetation über mehr als 70 Jahre dokumentiert. Solche plot-basierten Studien zur langfristigen Veränderung der Vegetation haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen (KAPFER et al. 2016). Im Rahmen der Studie sollen mit Ausnahme von Gräben alle Typen naturnah ausgeprägter Stillgewässer Berücksichtigung finden. Die Kartiermethoden umfassen je nach Gewässertyp: Entnahme von Makrophyten mittels Haken vom Ufer, Befahrung mit Schlauchboot und bei größeren Gewässern auch Betauchung. Die Auswertung soll gewässerbezogen mittels geeigneter uni- und multivariater statistischer Verfahren erfolgen. Der Fokus der Auswertung liegt dabei auf den Indikatoreigenschaften der Pflanzen, jedoch sollen auch orientierende Messungen von Umweltvariablen (pH-Wert, elektr. Leitfähigkeit, Stickstoff, Phosphor) vorgenommen werden.
Grundlage für die Bilanzierung der Flächenveränderungen von Stillgewässerhabitaten sollen zum einen aktuelle Landnutzungs- und Biotopdaten, zum anderen Luftbilder (seit 1953) und historische Karten (je nach Detailgrad seit Ende 18. Jh. oder 19. Jh.) sein. Auch weitere Parameter wie die umliegende Landnutzung können dabei erfasst werden.
Die kartographische Auswertung ermöglicht in Verbindung mit den gewässerspezifisch erhobenen Daten Veränderungsursachen und Populationstrends auf räumlicher Ebene darzustellen und auszuwerten. Zudem bildet sie eine Grundlage für die Auswahl potenzieller Untersuchungsgewässer im Hinblick auf die dritte Fragestellung, welche durch weitere Datengrundlagen (z.B. Gewässergüteuntersuchungen) konkretisiert werden kann. Hierbei sollen Kenntnislücken in bisher nicht untersuchten Gewässern mittels detaillierter vegetationskundlicher Erfassungen stichprobenartig gefüllt werden.