Interview: Auslandssemester trotz Pandemie?

Meike Knull, eine Studentin aus dem Göttinger Studiengang Angewandte Data Science, erzählt über ihren derzeitigen Studienaufenthalt in Helsinki. Sie beschreibt einiges, das dort anders ist. Sie findet, dass sich ein Auslandsaufenthalt trotz der Pandemie lohnt. Denn sie konnte ganz besondere Erfahrungen sammeln und eine tolle Zeit mit Menschen verschiedenster Herkunft verbringen, die sie sonst nicht kennengelernt hätte. Deshalb bleibt sie nach dem Wintersemester auch noch ein zweites Semester dort.

Das Interview führte Prof. Dr. Ralf Meyer vom Mathematischen Institut der Fakultät für Mathematik und Informatik im Januar 2022.

Wie lange bleiben Sie in Helsinki?
Ich bleibe von August 2021 bis Mai 2022. Zunächst mit Erasmus von August bis Dezember (das ist hier das Wintersemester), danach noch ein weiteres Semester von Januar bis Mai unabhängig von Erasmus.

Gibt es Dinge, die in Finnland besser sind als in Deutschland?
Ich finde hier die Natur und den Winter unglaublich schön. Bezüglich alltags-organisatorischer Unterschiede gibt es hier ein allgemeines System für die Onlineidentifikation, mit dem viele Unterlagen sehr einfach zugänglich sind. Auch Termine für Covid-Tests würde man darüber buchen. Allerdings ist das Einrichten dessen für einen temporären Studienaufenthalt nicht empfehlenswert, zu aufwendig.

Warum haben Sie gerade Helsinki ausgewählt?
Ich wollte gerne nach Norden und in ein Land, wo man sich auch in Englisch gut verständigen kann. Und mit Erasmus konnte ich dann noch zwischen Finnland und Island wählen. Für Helsinki entschied ich mich, weil die Uni einen sehr guten Ruf hat, die finnische Kultur und Lebenseinstellung mich interessiert und die Natur hier ganz besonders und vielseitig ist.

Sind die Lehrveranstaltungen in Helsinki anders als in Göttingen?
Die Semester werden hier nochmal halbiert, sodass man einen Kurs in der Regel in 6–7 Wochen durcharbeitet. Außerdem zählen hier die wöchentlichen Hausaufgaben oft schon in die Endnote mit rein, nicht nur die abschließende Klausur. In den fortgeschrittenen Vorlesungen gibt es statt Klausuren eher Projekte und Berichte. Auch in Göttingen würde ich mir eine Verlagerung des Drucks durch benotete Leistungen vom Ende der Vorlesungszeit auf das gesamte Semester wünschen.

Welche Art von Kursen haben Sie gewählt?
In meinem ersten Semester in Helsinki war ich im Bachelorstudiengang Informatik eingeschrieben, weil es hier Data Science nicht als Bachelorfach gibt. Ich habe Informatikkurse und Data Science Grundlagenkurse zu Themen belegt, die es ähnlich auch in Göttingen gibt. Mittlerweile bin ich im Data Science Master eingeschrieben und belege Kurse aus diesem Programm, die es so in Göttingen nicht direkt gibt. Auch wenn mir manches Vorwissen noch fehlt (ich bin ja erst im dritten Semester) und ich daher mehr Zeit zum Nacharbeiten brauche, komme ich mit den Kursen gut klar. Bezüglich der Kurse wäre es vielleicht besser gewesen, erst im fünften Semester zu reisen, um mehr Kurse belegen zu können, die es in Göttingen nicht gibt.

Konnten Sie Finnland und die Menschen dort trotz der Pandemie kennenlernen?
Ja, das ging zum Glück auch trotz der Pandemie. Die Orientierungswoche und das Wohnen im Studentenwohnheim haben beim Kennenlernen hauptsächlich internationaler Studierender geholfen. Ich habe schon viele Menschen kennengelernt und enge Freundschaften mit Personen aus unterschiedlichen Fachbereichen mit unterschiedlichen Herkunftsländern geschlossen. Um Helsinki und Finnland zu besichtigen, sind wir öfters zum Wandern in den Nationalparks und haben neben Helsinki auch schon zwei andere Städte besucht. Ein Highlight war eine Reise nach Lappland für internationale Studierende. Da die Finnen sehr gut Englisch sprechen und Finnisch eine sehr schwere Sprache ist, habe ich nur sehr wenig Finnisch gelernt. Auch das Kennenernen einheimischer Studierender war etwas erschwert.

Gab es Einschränkungen an der Uni wegen der Pandemie?
Zurzeit gibt es häufig eine Maskenpflicht und gekürzte Öffnungszeiten, und leider weniger studentisches Leben. Bisher waren die Lehrveranstaltungen bis auf wenige Wochen fast nur online. Allerdings war ich weniger im Home Office, da es auf dem Campus viele Arbeitsmöglichkeiten gibt. Auch einige der Mensen und der Unisport waren meistens offen. Der Umgang mit der Pandemie scheint mir entspannter als in Deutschland. Auch wenn es Einschränkungen gibt, habe ich hier mehr studentisches Leben als ich es bisher in Deutschland hatte. (Ich habe mein Studium aber auch erst in der Pandemie begonnen.)

Was empfehlen Sie Studierenden, die über ein Auslandssemester nachdenken?
Wenn sie ein Auslandssemester in Betracht ziehen, sollten sie es auf jeden Fall machen – trotz Pandemie. Es ist eine ganz besondere Erfahrung. Man verbringt eine tolle Zeit mit ganz verschiedenen Menschen, lernt viel Neues (nicht nur in den Unikursen) und kann sich in dem neuen Umfeld besonders gut weiterentwickeln. Dafür ist es wichtig, offen zu sein, viel zu unternehmen, und Gleichgesinnte zu finden, die einem im besten Fall auch Sicherheit geben und einen in schlechteren Zeiten, die nun mal auch dazugehören, unterstützen.

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