In publica commoda

Presseinformation: Verirrt im digitalen Wunderland

Nr. 106 - 18.07.2024

Göttinger Forschende untersuchen Technologien als Nährboden für Verschwörungstheorien

 

(pug) Technologien scheinen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Verschwörungstheorien und radikalen Meinungen zu spielen. So zeigt eine Vielzahl von Studien, dass Fehlinformationen im digitalen Umfeld florieren und sich viral verbreiten. Weniger bekannt ist jedoch, dass auch Technologien wie Amazon Echo und Google Search sowie Gesundheitsapps selbst zunehmend in den Fokus von Verschwörungstheorien geraten. Eine Studie von Forschenden der Universität Göttingen und weiteren Universitäten zeigt nun erstmals das Ausmaß, die Ursachen und die Folgen von technologiebezogenen Verschwörungstheorien auf. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Information Systems Research veröffentlicht.

 

In einer Ausgangsbefragung von mehr als 1.000 Personen in den USA stellten die Autoren fest, dass der Glaube an technologiebezogene Verschwörungstheorien überraschend weit verbreitet ist. Aus den Daten geht hervor, dass bei sechs von zehn verschiedenen technologiebezogenen Verschwörungstheorien mindestens 20 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Theorie kannten; bei fünf von zehn dieser Theorien glaubten mindestens 20 Prozent an sie. So haben beispielsweise 67 Prozent der Befragten von der Theorie gehört, dass die smarten Amazon Echo Lautsprecher die Nutzerinnen und Nutzer abhören, auch wenn das Gerät ausgeschaltet ist, um die Bevölkerung zu manipulieren. 36 Prozent der Befragten stimmten dieser Theorie zu.

 

Die Forscher stützten sich dann auf Daten aus einer Feldstudie und drei Experimenten. In der Feldstudie analysierte das Forschungsteam die Entstehung des Glaubens an Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit der Corona-Warn-App in Deutschland. Ein Experiment zu einem neu eingeführten smarten Autoassistenzsystem lieferte zusätzliche Erkenntnisse darüber, wie nicht nur die Wahrnehmung der Technologie, sondern auch die des Herstellers der Technologie den Glauben an technologiebezogene Verschwörungstheorien beeinflussen. Zudem fanden die Forscher Hinweise darauf, dass der Glaube an technologiebezogene Verschwörungstheorien nachteilige Folgen hat, die über die Nutzung der Technologie hinausgehen. Die Daten deuten darauf hin, dass der Glaube an technologiebezogene Verschwörungstheorien einen Teufelskreis in Gang setzen kann, in dem Individuen eine schädliche „Verschwörungsmentalität“ entwickeln und ihre Umwelt zunehmend durch die Brille von Verschwörungstheorien interpretieren. Diese Verschwörungsmentalität wird wiederum mit negativen Folgen auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene in Verbindung gebracht. Die Studien ermöglichten es den Forschenden, ein erstes Verständnis dafür zu entwickeln, welche Technologien besonders gefährdet sind, Ziel technologiebezogener Verschwörungstheorien zu werden.

 

„Unsere Forschung zeigt eine alarmierende Verbreitung von technologiebezogenen Verschwörungstheorien innerhalb der Gesellschaft und deren verheerende Folgen“, sagt Prof. Dr. Manuel Trenz, Professur für Interorganisationale Informationssysteme an der Universität Göttingen. „Die durch solche Überzeugungen geförderte Denkweise erschwert die soziale Zusammenarbeit und einen konstruktiven politischen Diskurs, was die Fähigkeit der Gesellschaft, auf zukünftige Krisen zu reagieren, beeinträchtigen könnte.“

 

Simon Trang von den Universitäten Göttingen und Paderborn unterstreicht die politischen Implikationen der Studie: „Wir hoffen, dass diese Ergebnisse Entscheidungsträger – egal ob Politiker oder Technologieentwickler – für die potenziellen Risiken und langfristigen Folgen sensibilisieren.“ Diese Erkenntnisse sollten als Anstoß für Forschende dienen, sich mit diesem Thema zu befassen, das sowohl jetzt als auch in Zukunft wichtige Auswirkungen hat.

 

Originalveröffentlichung: Simon Trang, Tobias Kraemer, Manuel Trenz, Welf H. Weiger: Deeper Down the Rabbit Hole: How Technology Conspiracy Beliefs Emerge and Foster a Conspiracy Mindset". Information Systems Research 2024. https://doi.org/10.1287/isre.2022.0494

 

Kontakt:

Prof. Dr. Manuel Trenz

Georg-August-Universität Göttingen

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Professur für Interorganisationale Informationssysteme

Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen

Telefon: +49 (0)551 39-26090

E-Mail: trenz@uni-goettingen.de

Internet: infsys.uni-goettingen.de