Tom Drake Bennet - Neuer Blick auf alte Meister
29. Oktober - 28. November 2010
Kunst kommt von Kunst, lehrt jedes Museum. Kein Künstler arbeitet ohne Kenntnis der Kunstgeschichte, ob er ihre Werke schätzt, gar als Vorbilder nutzt, oder sie als Konvention abtut oder gar verwirft. Exakte Kopien, schnell gemalte Skizzen, Motiv- oder Formübernahmen zeugen davon wie Fragmentierungen oder Gegenbilder, die die Macht der Urbilder nicht mehr sehen, nur aus dem künstlerischen Konzept erschließen lassen.
Der 1952 in Sussex geborene, seit über dreißig Jahren in Berlin arbeitende Künstler Tom Drake Bennett hat sich viel intensiver auf acht Bilder der Kunstsammlung der Universität eingelassen, auch wenn man mit dem ersten Blick eine völlig andere Art von Bild wahrnimmt. Er wählte sich zum Dialog acht Meisterwerke der Kunstsammlung, die Gemälde Botticinis, eines alten Kopisten Bruegels, van Goyens, Lundens, Steens, Ruysdaels und de Vliegers, entwickelte seine Bilder über formatgleiche auf Leinwand gedruckte Reproduktionen dieser Bilder, indem er bestimmte Partien, ungeachtet ihres Darstellungswertes oder ihres Illusionismus, auswählte und ihre Konturen so als Grenzen von Farbinseln in einem monochromen Farbfeld nahm, dass sich ein für ihn völlig stimmiges, auf die Fläche gestelltes Bild ergab. Dass dazu viele Versuche, die für sich ihren eigenen Bildwert haben, nötig waren, glaubt jeder angesichts der wenigen Flächenformen sofort. Denn das jeweilige Urbild lieferte abgesehen vom Format nur diese eine genannte Vorgabe, die der Künstler selbst erst finden musste, während er Farbwahl, -intensität und -quantität im Malen entschied. So schuf er jeweils eine neue, ihm völlig eigene Bildform wie in der Ausstellung der Vergleich mit den zahlreichen, völlig unabhängig von der Kunstsammlung entstandenen Arbeiten erweist, die er unter dem Titel „Politische Landschaften“ zusammenfasst. Diese Bilder beziehen ihre Wirkung aus der Spannung zwischen monochromen Farbflächen und eingeklebten Fremdformen, die gedruckte Texte oder Bilder unter einer reichen Übermalung durchscheinen, manchmal sogar lesbar lassen. Wie Papyrus und Pergament trotz Abschaben und Überschreiben ihre Urtexte festhalten, so sind Drake Bennetts im Dialog mit den Göttinger Meisterwerken gemalten Bilder solchen Palimpsesten vergleichbar, weil sie bis in den Bildkörper hinein Gedächtnis der Kunstgeschichte sind und doch in ihrer akuten optischen Präsenz durch und durch zeitgenössisch sind. Mehr kann sich das Kunstgeschichtliches Seminar von einem Künstler der Gegenwart für seine Bilder nicht wünschen, die dadurch auch wie durch die Neupräsentation in ein neues Licht gerückt werden.
Professor Dr. Werner Schnell
- Großzügige Schenkung: Göttinger Kunstsammlung erhält acht Bennett-Gemälde
Fotos der Ausstellung