Die kosmopolitische Stadt. Riga als globaler Hafen und internationale Handelsmetropole (1861-1939)
Rigas Handel mit Rohstoffen und Agrarprodukten
Riga gelang es im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert vom allgemeinen Aufschwung des Handels zwischen Westeuropa und Russland in besonderem Maß zu profitieren. Das lag vor allem an seiner günstigen geografischen Lage am Rigaer Meerbusen: der Rigaer Hafen war längere Zeit im Jahr eisfrei als die Hauptstadthäfen St. Petersburg bzw. Kronstadt. Zudem profitierte Riga vom Ausbau des russländischen Eisenbahnnetzes. Bei der Handels- und Infrastrukturpolitik setzten Rigaer Institutionen, allen voran das Rigaer Börsenkomitee und der Stadtrat, durch die Förderung moderner Technik (z.B. Kühlwaggons und ein Kühlhaus im Hafen von Riga) Akzente zur Belebung des Handels und der Schifffahrt. Neue Ausfuhrprodukte wie Eier oder Butter ersetzten und ergänzten früher bedeutsame Exportgüter.
Rigas Handel mit Rohstoffen und Agrarprodukten
Rigas Eier- und Butterhandel
Die allgemeine Beschleunigung des Güterverkehrs in Europa und technologische Erneuerungen wie Kühlvorrichtungen in Zügen und Dampfschiffen erlaubten ab Beginn des 20. Jh. den Transport von verderblichen Waren wie Eiern und Butter. Seit 1902 gab es im Rigaer Hafen ein Kühlhaus, das die London Society Union gebaut und finanziert hatte. 1906 wurden bereits 59,5 Prozent des russländischen Butterexports und 40,1 Prozent des russländischen Eierexports über Riga verschifft. Eier stiegen zum drittwichtigsten Exportgut Rigas auf. Die große Nachfrage nach Eiern und Butter war für die Verdichtung des Handels zwischen Westeuropa sowie mit dem eurasischen Hinterland mit verantwortlich. Die mit ArcGIS erstellten Karten zu Rigas Eier- und Butterhandel verzeichnen mit kursiven Labeln diejenigen Städte, mit denen Riga erstmals zwischen 1903 und 1913 Handelsbeziehungen aufnahm. Das hohe Volumen an umgesetzten Eiern und Butter legt den Schluss nahe, dass diese neuen Agrarprodukte den Umsatz beflügelten und zur Verdichtung des Handels entscheidend beitrugen. Die Karte zum Eierhandel zeigt, dass Eier in Westeuropa stark nachgefragt wurden. So gehörten die deutschen Städte Köln, Frankfurt und Magdeburg die nun über ein neues Netz von Kanälen mit der Ostsee verbunden waren, zu den Abnehmern russländischer Eier. Zwischen 1903 und 1913 etablierte Riga erstmals Handelsbeziehungen zu den auf der Karte kursiv markierten Städten. Als Zulieferer kamen zum Beispiel das am Ural liegende Ufa (Eier) und das sibirische Irkutsk (Butter) neu hinzu.
Rigas Holzhandel
In den letzten drei Jahren vor Ausbruch des 1. Weltkriegs entwickelte sich Riga zum bedeutendsten Handelsplatz für den Überseehandel mit Holz. In den 40 Jahren zwischen 1871 bis 1911 vervierfachte sich der Umsatzmenge mit Holz, die bereits zuvor einen wichtigen Anteil des Rigaschen Außenhandels ausgemacht hatte. Riga profitierte von den natürlichen Bedingungen und seinen Wasserwegen, die seit jeher den kostengünstigen Transport von livländischen und kurländischen Holz nach Riga ermöglichten. Die Stromregulierung der Daugava (Düna) und Kanalprojekte, wie der Bau des 1903 fertiggestellten Gauja-Baltezers-Kanal zur Verbindung der Gauja (Livländischen Aa) und der Daugava (Düna) durch den Baltezers (Weißer See), erleichterten den Export von Holz aus den baltischen Provinzen im Rigaer Hinterland. Wie die ArcGIS-Karte zum Rigaer Holzhandel zeigt, spielte bei der Verschiffung von Holz der Transport auf den Wasserwegen auch bei der Einfuhr nach Riga (dargestellt in gelb) eine große Rolle: Holz erreichte Riga oft per Floss, dort wurde es verarbeitet und schließlich per Schiff exportiert. Rigas zahlreiche Wasserflächen, insbesondere die Nebenarme der Daugava (Düna) und der Kisch-See (lett. Ķīsezers, altertüml. Stintsee), boten ausreichende Abstellfläche für Holzflösse, die auf die Verarbeitung warten mussten. Darüber hinaus wurde der Rigaer Hafen zum Umschlagsplatz für russisches Holz, das per Eisenbahn nach Riga und schließlich per Schiff nach Westeuropa sowie nach Übersee transportiert wurde. Rigaer Kaufleute bemühten sich stetig um die Erweiterung ihres Handelsnetzwerkes. Seit 1912 exportierte Riga sogar Funiere nach Australien und Neuseeland. Die Hauptartikel des Rigaer Holzexports waren Bretter und Sleepers, das heißt geschnittenes bzw. verarbeitetes Holz, wovon auch die zahlreichen Rigaer Sägemühlen profitierten. Der Holzhandel, die Sägemühlen sowie die holzverarbeitende Industrie allgemein waren gleichzeitig ein Wirtschaftszweig, in dem Rigas verschiedene Nationalitäten ausgewogen repräsentiert waren. Neben den Deutschbalten, waren auch Letten, Juden, Russen und Polen im Holzgeschäft aktiv.
Rigas Handel mit Getreide und Flachs
Getreide und Flachs gehörten seit dem Mittelalter zu den wichtigsten Ausfuhrgütern des Rigaer Hafens. Durch den Ausbau des russischen Schienennetzes und den Anschluss Rigas an die südrussischen Schwarzerdegebiete – 1871 wurde die Eisenbahnlinie Riga-Zarizyn (Wolgograd) eröffnet – erlebte der Getreidehandel in den 1870er Jahren eine kurze Blütezeit. Im Zeitraum zwischen 1883 bis 1913 musste Riga jedoch in Bezug auf die Ausfuhrmengen von Getreide Rückschläge hinnehmen. Dies erklärt sich vor allem mit allgemein steigenden westeuropäischen Zöllen auf russisches Getreide sowie dem deutsch-russischen Handelskrieg, der 1893 seinen Höhepunkt erreichte und maximale Zolltarife von bis zu 50% zur Folge hatte. Nach Abschluss des deutsch-russischen Handelsvertrag 1894 und der Normalisierung der Zölle musste Riga im Getreidehandel mit den deutschen Ostseehäfen Memel, Königsberg, Danzig und Stettin konkurrieren. Daher verlor Getreide als Exportgut für den Rigaer Hafen in den 1890er Jahren und der ersten Dekade des 20. Jh. zunehmend an Bedeutung. Der Handel mit Flachs, vergleichbar mit Getreide ebenfalls ein traditionelles Ausfuhrgut des Rigaer Hafens, konnte hingegen im Betrachtungszeitraum einen Aufschwung erfahren. Rigaer Flachsexporteure verkauften dabei nicht nur das hochwertige und auf dem Weltmarkt bereits gut etablierte livländische und kurländische Flachs aus dem Rigaer Umland; Gegenstand des Handels war darüber hinaus Transitware aus dem russischen Hinterland, die 75% des in Riga vor dem 1. Weltkrieg umgesetzten Flachs ausmachte. Riga nahm daher im Flachshandel des Russländischen Kaiserreichs eine dominierende Stellung ein. Im Jahre 1913 wurden 50,5% des russländischen Flachs über den Rigaer Hafen exportiert.
Bei den aufgeführten Namen in den Labels handelt es sich um die damals üblichen deutschen Ortsnamen und Transliterationen, wie sie in den Quellen (Beiträge zur Statistik des Rigaschen Handels, Jg. 1883-1913, hrsg. im Auftrage der Handelsstatistischen Section des Rigaer Börsencomités, Riga 1884-1914) aufgeführt sind.
Hauptsächliche Quellen:
Gernet, Bruno von: Die Entwicklung des Rigaer Handels und Verkehrs im Laufe der letzten 50 Jahre bis zum Ausbruche des Weltkrieges, Jena 1919. Handelsstatistische Section des Rigaer Börsen-Comités (ed.): Beiträge zur Statistik des Rigaschen Handels, Jg. 1883-1913, Riga 1884-1914.
Die allgemeine Beschleunigung des Güterverkehrs in Europa und technologische Erneuerungen wie Kühlvorrichtungen in Zügen und Dampfschiffen erlaubten ab Beginn des 20. Jh. den Transport von verderblichen Waren wie Eiern und Butter. Seit 1902 gab es im Rigaer Hafen ein Kühlhaus, das die London Society Union gebaut und finanziert hatte. 1906 wurden bereits 59,5 Prozent des russländischen Butterexports und 40,1 Prozent des russländischen Eierexports über Riga verschifft. Eier stiegen zum drittwichtigsten Exportgut Rigas auf. Die große Nachfrage nach Eiern und Butter war für die Verdichtung des Handels zwischen Westeuropa sowie mit dem eurasischen Hinterland mit verantwortlich. Die mit ArcGIS erstellten Karten zu Rigas Eier- und Butterhandel verzeichnen mit kursiven Labeln diejenigen Städte, mit denen Riga erstmals zwischen 1903 und 1913 Handelsbeziehungen aufnahm. Das hohe Volumen an umgesetzten Eiern und Butter legt den Schluss nahe, dass diese neuen Agrarprodukte den Umsatz beflügelten und zur Verdichtung des Handels entscheidend beitrugen. Die Karte zum Eierhandel zeigt, dass Eier in Westeuropa stark nachgefragt wurden. So gehörten die deutschen Städte Köln, Frankfurt und Magdeburg die nun über ein neues Netz von Kanälen mit der Ostsee verbunden waren, zu den Abnehmern russländischer Eier. Zwischen 1903 und 1913 etablierte Riga erstmals Handelsbeziehungen zu den auf der Karte kursiv markierten Städten. Als Zulieferer kamen zum Beispiel das am Ural liegende Ufa (Eier) und das sibirische Irkutsk (Butter) neu hinzu.
Rigas Holzhandel
In den letzten drei Jahren vor Ausbruch des 1. Weltkriegs entwickelte sich Riga zum bedeutendsten Handelsplatz für den Überseehandel mit Holz. In den 40 Jahren zwischen 1871 bis 1911 vervierfachte sich der Umsatzmenge mit Holz, die bereits zuvor einen wichtigen Anteil des Rigaschen Außenhandels ausgemacht hatte. Riga profitierte von den natürlichen Bedingungen und seinen Wasserwegen, die seit jeher den kostengünstigen Transport von livländischen und kurländischen Holz nach Riga ermöglichten. Die Stromregulierung der Daugava (Düna) und Kanalprojekte, wie der Bau des 1903 fertiggestellten Gauja-Baltezers-Kanal zur Verbindung der Gauja (Livländischen Aa) und der Daugava (Düna) durch den Baltezers (Weißer See), erleichterten den Export von Holz aus den baltischen Provinzen im Rigaer Hinterland. Wie die ArcGIS-Karte zum Rigaer Holzhandel zeigt, spielte bei der Verschiffung von Holz der Transport auf den Wasserwegen auch bei der Einfuhr nach Riga (dargestellt in gelb) eine große Rolle: Holz erreichte Riga oft per Floss, dort wurde es verarbeitet und schließlich per Schiff exportiert. Rigas zahlreiche Wasserflächen, insbesondere die Nebenarme der Daugava (Düna) und der Kisch-See (lett. Ķīsezers, altertüml. Stintsee), boten ausreichende Abstellfläche für Holzflösse, die auf die Verarbeitung warten mussten. Darüber hinaus wurde der Rigaer Hafen zum Umschlagsplatz für russisches Holz, das per Eisenbahn nach Riga und schließlich per Schiff nach Westeuropa sowie nach Übersee transportiert wurde. Rigaer Kaufleute bemühten sich stetig um die Erweiterung ihres Handelsnetzwerkes. Seit 1912 exportierte Riga sogar Funiere nach Australien und Neuseeland. Die Hauptartikel des Rigaer Holzexports waren Bretter und Sleepers, das heißt geschnittenes bzw. verarbeitetes Holz, wovon auch die zahlreichen Rigaer Sägemühlen profitierten. Der Holzhandel, die Sägemühlen sowie die holzverarbeitende Industrie allgemein waren gleichzeitig ein Wirtschaftszweig, in dem Rigas verschiedene Nationalitäten ausgewogen repräsentiert waren. Neben den Deutschbalten, waren auch Letten, Juden, Russen und Polen im Holzgeschäft aktiv.
Rigas Handel mit Getreide und Flachs
Getreide und Flachs gehörten seit dem Mittelalter zu den wichtigsten Ausfuhrgütern des Rigaer Hafens. Durch den Ausbau des russischen Schienennetzes und den Anschluss Rigas an die südrussischen Schwarzerdegebiete – 1871 wurde die Eisenbahnlinie Riga-Zarizyn (Wolgograd) eröffnet – erlebte der Getreidehandel in den 1870er Jahren eine kurze Blütezeit. Im Zeitraum zwischen 1883 bis 1913 musste Riga jedoch in Bezug auf die Ausfuhrmengen von Getreide Rückschläge hinnehmen. Dies erklärt sich vor allem mit allgemein steigenden westeuropäischen Zöllen auf russisches Getreide sowie dem deutsch-russischen Handelskrieg, der 1893 seinen Höhepunkt erreichte und maximale Zolltarife von bis zu 50% zur Folge hatte. Nach Abschluss des deutsch-russischen Handelsvertrag 1894 und der Normalisierung der Zölle musste Riga im Getreidehandel mit den deutschen Ostseehäfen Memel, Königsberg, Danzig und Stettin konkurrieren. Daher verlor Getreide als Exportgut für den Rigaer Hafen in den 1890er Jahren und der ersten Dekade des 20. Jh. zunehmend an Bedeutung. Der Handel mit Flachs, vergleichbar mit Getreide ebenfalls ein traditionelles Ausfuhrgut des Rigaer Hafens, konnte hingegen im Betrachtungszeitraum einen Aufschwung erfahren. Rigaer Flachsexporteure verkauften dabei nicht nur das hochwertige und auf dem Weltmarkt bereits gut etablierte livländische und kurländische Flachs aus dem Rigaer Umland; Gegenstand des Handels war darüber hinaus Transitware aus dem russischen Hinterland, die 75% des in Riga vor dem 1. Weltkrieg umgesetzten Flachs ausmachte. Riga nahm daher im Flachshandel des Russländischen Kaiserreichs eine dominierende Stellung ein. Im Jahre 1913 wurden 50,5% des russländischen Flachs über den Rigaer Hafen exportiert.
Bei den aufgeführten Namen in den Labels handelt es sich um die damals üblichen deutschen Ortsnamen und Transliterationen, wie sie in den Quellen (Beiträge zur Statistik des Rigaschen Handels, Jg. 1883-1913, hrsg. im Auftrage der Handelsstatistischen Section des Rigaer Börsencomités, Riga 1884-1914) aufgeführt sind.
Hauptsächliche Quellen:
Gernet, Bruno von: Die Entwicklung des Rigaer Handels und Verkehrs im Laufe der letzten 50 Jahre bis zum Ausbruche des Weltkrieges, Jena 1919. Handelsstatistische Section des Rigaer Börsen-Comités (ed.): Beiträge zur Statistik des Rigaschen Handels, Jg. 1883-1913, Riga 1884-1914.
Rigas weltweites Handelsnetzwerk
Rigas europäisches Handelsnetzwerk