Wissen(schaft) ausstellen. Zur Ausstellungsgeschichte und Gegenwart akademischer Sammlungen
Universitäre Sammlungen sind in den letzten Jahren verstärkt in das öffentliche und wissenschaftliche Interesse gerückt. Das Sammeln, Ordnen, Erforschen sowie das Ausstellen materieller Dinge in den Wissenschaften hat indessen eine lange Geschichte. In Göttingen wird 1773 das erste Universitätsmuseum Deutschlands, das Königliche Academische Museum gegründet. Seither sind die Sammlungen zwar vornehmlich ‚zum wissenschaftlichen Gebrauch‘ und für Lehrzwecke bestimmt, werden jedoch auch immer – über Führungen oder an verschiedenen Orten der Universität, wie etwa in Kabinetten, auf Fluren, historischen Räumen, in Schauschränken, Galerien und als Jubiläums- oder Themenausstellungen – der Öffentlichkeit präsentiert.
Das Forschungsprojekt „Wissen(schaft) ausstellen“ widmet sich der wechselvollen Ausstellungsgeschichte und Gegenwart akademischer Sammlungen, die zwischen repräsentativen Funktionen und der Einbettung in wissenschaftliche Prozesse und Tätigkeiten changiert. Dieses Spannungsverhältnis ist heute aktueller denn je. So zeichnen gegenwärtige Ausstellungsplanungen und -konzepte – wie etwa das HUMBOLDT LABOR in Berlin, das FORUM WISSEN in Göttingen oder das GUM in Gent aus, nicht mehr nur die Sammlungen mit ihren faszinierenden Schätzen, großen Gelehrten, Erfindungen oder Disziplin- und Universitätsgeschichte ins Zentrum stellen zu wollen. Vielmehr sind es die wissenschaftlichen Praktiken selbst, wie das Sammeln, Ordnen, Forschen, Lehren, Reisen, Messen, Experimentieren, das Irren oder Kooperieren, die seit geraumer Zeit expositorisch befragt und ergründet werden. Statt einer teleologisch gedachten Wissenschafts- oder Institutionengeschichte soll die Geschichte des Forschens, also die Entstehung von Wissen in seinen arbiträren, kollektiven und historisch wandelbaren, dynamischen Formen im Fokus stehen. Im FORUM WISSEN etwa ist ein Objektlabor (siehe Abbildung) geplant, das als Sammlungs-schaufenster und Seminarraum zugleich angelegt ist, hier können Dinge temporär angeordnet und interdisziplinär untersucht werden. In einem solchen Labor geht es nicht darum, Wissen aus- oder festzustellen, also zu verobjektivieren, sondern das Ringen um objektive Erkenntnis und die materiellen Bedingtheiten von Wissen sichtbar zu machen.
Damit scheint das Ausstellungskonzept einer repräsentationskritischen Perspektive verpflichtet, die seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielfältiger Weise formuliert worden ist. Vor allem aktivistische, feministische und postkoloniale Debatten haben die Repräsentation von universaler Geschichte und wissen-schaftlichen Wahrheiten problematisiert. Als Krise(n) musealer Repräsentation werden Gesten des Zeigens seither verstärkt als Teil hegemonialer Ordnungen und Machtstrukturen hinterfragt. Das Forschungsprojekt untersucht, wie diese Debatten, Kämpfe und Konflikte in historischen wie gegenwärtigen Entwürfen von Universitäts- bzw. Wissensmuseen aufgenommen und verhandelt werden. In welchem Verhältnis stehen Produktion und Repräsentation von Wissen zueinander? Wie kann der Prozess des Forschens, anstatt „nur“ sein Ergebnis ausgestellt werden? Inwiefern kann der Ausstellungsraum selbst zum Ort der Forschung werden?
Haben akademische Sammlungen maßgeblich zur Genese, Etablierung und Differenzierung von wissenschaftlichen Disziplinen und Fachidentitäten beigetragen, so versprechen sie gegenwärtig erneut eine (Selbst-)Reflexion der Wissenschaften, die als Befragung der institutionellen, politischen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen von Erkenntnis ebenso in der Museumslandschaft eingefordert wird. Von der Offenheit und Latenz epistemischer Dinge, mit denen Ausstellungen zum sozialen und wissenschaftlichen Handlungsort werden, können jedenfalls beide Institutionen – das Museum wie die Universität – profitieren und lernen.
Bild: Objektlabor und Sammlungsschaufenster (chezweitz, Berlin) | © Universität Göttingen