Mit dem Begriff Bernsteinfossilien werden vor allem Einschlüsse von Insekten, Spinnen und Resten höhere Pflanzen assoziiert. In fossilen Harzen sind allerdings auch Bakterien, Pilze, Algen, Moose und Protozoen konserviert. Häufig handelt es sich um Mikroorganismen, die wegen des Fehlens überdauerungsfähiger Hartteile anderweitig nicht fossil überliefert sind. Aufgrund des zum Teil exzellenten Erhaltungszustandes von Zellen und Zellorganellen erfreuen sie sich zunehmenden paläontologischen Interesses, geben sie doch völlig neue Einblicke in die Phylogenie von Großgruppen.
In unserer Arbeitsgruppe werden Bernsteine verschiedener Erdzeitalter gezielt nach Mikroinklusen durchsucht. Nicht nur der ca. 40 Millionen Jahre alte Baltische Bernstein beherbergt bisher Unbekanntes, wie zum Beispiel seltene Pilzfossilien. Zahlreiche Mikroben finden sich auch in ca. 100 Millionen Jahre alten Harzen aus der Kreidezeit. Die ältesten untersuchten Harze stammen aus der Trias und sind ca. 220 Millionen Jahre alt. Unter den Algen, Pilzen, Wimpertierchen und Schalenamöben sind Arten, die von ihren heutigen Nachfahren nicht zu unterscheiden sind. Andere wiederum sind urtümliche Formen, die heute nicht mehr existieren. Die Mikroorganismen lebten auf feuchter Baumrinde und in kleinen Wasseransammlungen auf den harzliefernden Bäumen oder im Waldboden. Sie sind konserviert worden, nachdem flüssiges Harz in ihre Mikrohabitate eingedrungen war. Oft sind mehrere Arten in einem Bernsteinstück überliefert. Diese Vergesellschaftungen lassen Rückschlüsse auf die Biozönosen der "Bernsteinwälder" zu. Die Einbeziehung der Mikroinklusen in die Bernsteinforschung bietet somit die Möglichkeit, die Lebewelt mesozoischer und känozoischer Wälder ganzheitlich zu untersuchen.