Nominierte für den Christian-Gottlob-Heyne-Preis 2025




Was hat die Wissenschaft mit dem Leben zu tun? Anhand der Rezeption der Lebensphilosophie, insbesondere der Ansätze von Rudolf Eucken und Hans Driesch, untersuche ich in meiner Dissertation, wie chinesische Intellektuelle in den 1920er-Jahren den Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Leben reflektierten. In einer Zeit tiefgreifender Umbrüche und wachsender Zweifel an der technologisch-wissenschaftlichen Moderne werden die Debatten zwischen Wissenschaft und Lebensphilosophie in einen globalen Kontext gesetzt und ihre epistemologischen, ethischen und politischen Dimensionen analysiert. Die Untersuchung erfasst geistige, spirituelle, psychologische, biologische und kulturelle Aspekte des Lebens und beleuchtet die wechselseitige Konstruktion von Wissenschaft und Lebensphilosophie. Dabei treten konkurrierende Wissenschaftsverständnisse zutage, deren Bedeutung für die komplexe Dynamik der chinesischen Modernisierung aufgezeigt wird.




Geschichte wurde und wird in diversen Medien und Gattungen thematisiert, zum Beispiel in der Historiografie, im historischen Roman oder in der Historienmalerei. Eine weitere, von der Forschung vergleichsweise wenig beachtete, aber im 19. und frühen 20. Jahrhundert weit verbreitete Geschichtsgattung ist die historische Lyrik – der Gegenstand meiner Dissertation. Ziel der Arbeit ist, die Entwicklung der deutschsprachigen Geschichtslyrik von 1850 bis 1918 zu erhellen. Als Grundlage dient ein Korpus aus mehreren tausend Texten, die vor allem aus Geschichtslyrik-Anthologien stammen. Um die Texte sowie ihre zeitgenössische Distribution und Rezeption zu analysieren, kombiniert die Arbeit qualitative und quantitative Methoden und verbindet Literaturwissenschaft und Digital Humanities. Ein zentrales Ergebnis lautet, dass die Gattung keineswegs – wie die bisherige Forschung vermuten ließe – ‚stagnierte‘, sondern sich in relevanter Weise veränderte, auch in eine literarisch moderne Richtung.




Franz Kafka und H.P. Lovecraft sind weltberühmt, aber bisher kaum Gegenstand gemeinsamer literaturwissenschaftlicher Forschung. Ich bringe die beiden Autoren zusammen und arbeite vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen weltanschaulichen Positionen Formen ökologischen Denkens und deren politische Implikationen heraus. Ich zeige mithilfe der Denkfiguren von Tierwerden und Pflanzendenken, wie sich in den Texten Menschen in Tiere verwandeln, sich dynamische Ökosysteme öffnen und die Grenzen zwischen Natur- und Kulturräumen neu gezogen werden. Dabei interessiert mich vor allem, wie das mit soziopolitischen und wissenschaftlichen Diskursen zusammenhängt – und welche rassistischen Vorstellungen einerseits sowie Widerstandspotenziale andererseits an Konzeptionen von Mensch und Tier gekoppelt sind. Von hier aus verfolge ich ideengeschichtlich bis hin zu Ecocriticism und aktueller Climate Fiction, welche ökologischen Ideen die Literatur hervorbringt – und wie die Natur dabei mitspielt.




In meiner Dissertation habe ich mich mit dem Werk 'Platonische Theologie' des spätantiken heidnischen Philosophen Proklos beschäftigt. Proklos lebt im 5. Jahrhundert nach Christus und ist Leiter der Nachfolge-Institution der Platonischen Akademie in Athen, über achthundert Jahre nach Platon (!). Er schreibt umfangreiche Kommentare zu Platon und bezieht sich in seinen philosophiehistorisch äußerst gelehrten und voraussetzungsreichen Schriften auch oft auf Lehren der neuplatonischen Vorgänger (etwa Plotin). Die sechs Bücher umfassende 'Platonische Theologie' (etwa 700 Druckseiten) ist ein bisher in der deutschen Forschung kaum behandeltes Werk, in dem Proklos sein eigenes metaphysisches System göttlicher Hierarchien (die miteinander eng und subtil verflochten sind) entfaltet, und zwar unter der Voraussetzung, dass Götter bzw. göttliche Prinzipien und ihre Eigenschaften sich aus den platonischen Schriften ableiten lassen. Der Fokus meiner Arbeit liegt deshalb auf Proklos' Behandlung und Rezeption der platonischen Dialoge, zudem analysiere ich seine theologische Argumentation und seine Terminologie sowie die rhetorischen Strategien, mit denen er seine Theologie begründet.




Was ist Religion? – Unter dem Vorzeichen von Religionspluralismus, Synkretismus und neuen Spiritualitätsformen gehe ich mit meinem Dissertationsprojekt auf die Suche nach einer Neubestimmung des christlichen Religionsbegriffs im postmodernen Zeitalter. In Auseinandersetzung mit den Mythostheorien Ernst Cassirers und Hans Blumenbergs versuche ich einen Beitrag zur Überwindung einer tiefsitzenden Reserve der Theologie gegenüber dem Mythos leisten und Religion nicht allein im Gegenüber sondern zugleich aus ihrer Nähe zum Mythos zu erschließen. Mythos und Religion kommen als kulturprägende Denk- und Daseinsformen zur Sprache, in deren Wechselspiel die Dialektik von „Vollzug“ und „Reflexion“ als Wesensmerkmal des Religiösen zur Geltung kommt. Abschließend wage ich eine Skizze für eine Neubestimmung christlicher Religion als einem Resilienz bildenden Selbstverständigungsprozess des Subjekts, in dessen nicht-reflexiv einholbarer Dimension ein letztlich soteriologisch bestimmtes Surplus liegt.