Zum Fach Iranistik

Iranistik ist ein regionalbezogenes Fach, das einen geografischen Raum weit über die Staatsgrenzen des heutigen Iran hinaus umfasst. Dazu gehören unter anderem Gebiete des heutigen Tadschikistans, Usbekistans, Afghanistans und Pakistans bis nach Indien im Osten und Regionen Armeniens, Aserbaidschans, Georgiens, der Türkei, des Irak und Syriens im Westen. Dementsprechend ist das Fach durch ein sehr breites Spektrum an Forschungsschwerpunkten und Themenfeldern gekennzeichnet, die historische und gegenwartsbezogene Fragestellungen umfassen, und je nach Standort unterschiedlich gewichtet sind.

Ein wichtiger Bereich der Iranistik widmet sich der Untersuchung iranischer Geschichte. Iran blickt auf eine Geschichte zurück, die bis in die Zeit vor der iranischen Einwanderung zurückreicht. Für das iranische Nationalbewusstsein spielen das Achämenidenreich als erste große iranische Dynastie eine zentrale Rolle. Die islamische Eroberung in der Mitte des 7. Jh gilt als wichtige Zäsur in der iranischen Geschichte. Die meisten Iranist*innen befassen sich entweder mit der vorislamischen Zeit, oder mit Iran ab der Zeit der islamischen Eroberung.

Die Erforschung iranischer Religionen ist ein weiteres zentrales Themengebiet der Iranistik. Religiöse Zeugnisse sind sehr vielfältig; während Iran seit der Safavidenzeit schiitisch geprägt ist, dominierte unter den vorislamischen Sasaniden der Zoroastrismus. Heute gibt es verschiedene Religionen, die mit nicht-islamischen iranischen Elementen verbunden sind, wie die Religionen Yezidismus und Yarsan (Ahl-e Haqq). Auch die Babi-Bahai-Bewegung hat in der iranischen Region ihren Anfang genommen.

Einen dritten Bereich der Iranistik bildet die Beschäftigung mit iranischen Sprachen. Zu den iranischen Sprachen, die heute noch gesprochen werden, gehören unter anderem Persisch mit seinen sprachlichen Varianten in Tadschikistan und Afghanistan, Kurdisch, Paschto und Balutschi. Ältere Stufen der iranischen Sprachen sind beispielsweise das Avestische und das Mittelpersische.

Untersuchungen zur persischen Literatur befassen sich überwiegend mit Dichtung, die in der Vormoderne das literarische Schaffen dominiert hat. Gerade auch auf dem indischen Subkontinent sind sehr viele Werke persischer Dichtkunst entstanden. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat sich daneben eine moderne Prosaliteratur entwickelt. Iranische Architektur und Miniaturmalerei werden meist im Kontext islamischer Kunstgeschichte behandelt, stellen aber ebenfalls ein Teilgebiet der Iranistik dar.

Im Bereich der iranischen Geistesgeschichte sowie bei der Beschäftigung mit den Erscheinungsformen des Islam im Iran weist die Iranistik einen starken Überlappungsbereich mit der Islamwissenschaft auf. In der islamischen Philosophie finden sich viele Gelehrte iranischer Abstammung, die größtenteils auf Arabisch geschrieben haben. Das Arabische ist daher neben dem Persischen eine sehr wichtige Quellensprache für die Iranistik.

Gegenwartsbezogene Forschungen zum Iran widmen sich ganz unterschiedlichen Themenfeldern: sei es Politik, Medien, iranisches Kino, Jugendkultur, Genderfragen, u.ä. Auch ethnologisch und kulturanthropologisch orientierte Forschung hat hier ihren Platz.


Die Iranistik in Göttingen bietet im Bereich der Lehre ein breites Spektrum der hier genannten Teilbereiche der Iranistik an. Dabei hat sie ihren Schwerpunkt in der Zeit nach der islamischen Eroberung. Ein besonderer Forschungs- und Studienschwerpunkt liegt hier weiterhin auf der indo-persischen Geschichte und Kultur.