Veranstaltungen im Wintersemester 2024/2025

Zeit und Ort

Wintersemester 2024/2025, dienstags, 12:15 - 13:45 Uhr
Die Vorlesung findet digital statt auf (einfach klicken):
Link https://whereby.com/martinvangelderen_research-and-teaching

Einführung

Im Süden und Westen Europas war die Periode zwischen 1500 und 1700 ein Zeitalter der großen Umwälzungen. Renaissance und Reformation, Religionskriege und Revolutionen, Kapitalismus und Kolonialismus prägten die Geschichte Norditaliens und Frankreichs, der (Burgundischen) Niederlanden und Englands nachhaltig. Es gab zuerst die Dynamik der Renaissance und dann der Reformation, vorangetrieben durch ‚hot protestants‘, vor allem (aber nicht nur) durch Calvinisten, Hugenotten und Puritaner. Der religiöse Streit war eng verbunden mit dem Kampf um die politische Macht, mit der Gestaltung des modernen Staates, und mit der Rivalität zwischen England, Frankreich und den Niederlanden als aufstrebende Kolonialmächte. Diese Verbindungen führten zu den blutigen und langwierigen Religions- und Bürgerkriegen, zu den Aufständen und Revolutionen, die die europäische Frühen Neuzeit nachhaltig prägten.

Die Auseinandersetzungen finden auf dem Schlachtfeld statt, aber auch ganz wesentlich in Wort und Bild. Die Vorlesung erörtert die Rollen der radikalen Vorreiter*innen dieser Periode, insbesondere in den Bereichen von Kultur, Politik und Religion. Sie bietet damit eine etwas andere, alternative Einführung in die frühneuzeitliche Geschichte Süd- und vor allem Westeuropas.

Es geht um Humanisten wie Machiavelli und Erasmus, um revolutionären Bewegungen wie die des deutschen Bauernkrieges, des niederländischen Aufstandes und des englischen Bürgerkrieges. Zugleich wird die Bedeutung der innovativen, machtbewußten Monarchinnen, Elizabeth I und Maria de’ Medici erörtert. Es geht aber auch um Menschen, die viel verloren haben, wie der französische Humanist Montaigne, der enttäuscht durch Krieg und Gewalt, das Lebensideal der melancholischen Kontemplation entwickelte und sein Landsmann Pierre Bayle, der aufgrund seiner Religion fliehen mußte und zum Grundleger des modernen Skeptizismus wurde. Für die englische Herzogin Margaret Cavendish eröffnete gerade das Schicksal als Flüchtling für sie, als Frau, neue Lebensperspektiven als Philosophin und Schriftstellerin.

Cavendish floh nach Frankreich und Antwerpen, Bayle nach Holland. Da setzten sich Künstler wie Rembrandt und Philosophen wie Spinoza auseinander mit der neuen kulturellen und religiösen Diversität ihrer Stadt, Amsterdam, Metropole der neuen Handels- und Kolonialmacht. Rembrandt verbildlichte die neuen Einwanderer seiner Stadt. Spinoza entwickelte ein radikales Programm der Aufklärung. Bayle, Cavendish, Rembrandt und Spinoza suchten nach Toleranz, nach der Akzeptanz einer Gesellschaft, wo Menschen mit sehr unterschiedlichen religiösen und politischen Überzeugungen friedlich, offen und sicher miteinander leben können

Einführende Literatur

  • Eine gute und knappe, allgemein Europäische Einführung bietet Thomas Maissen, Geschichte der Frühen Neuzeit, München, 2013.
  • Für die englische Geschichte gibt es der neue Bestseller von Clare Jackson, Devil-Land: England under Siege, 1588-1688, London, 2021, ausgezeichnet mit dem Wolfson History Prize 2022. Etwas älter und ebenfalls gut lesbar sind Susan Brigden, New Worlds, Lost Worlds: The Rule of the Tudors 1485-1603, London, 2000 und Mark Kishlansky, A Monarchy Transformed: Britain 1603-1714, London, 1996.
  • Für die französische Geschichte gibt es Rainer Babel, Deutschland und Frankreich im Zeichen der habsburgischen Universalmonarchie 1500-1648, Darmstadt, 2005.
  • Die klassische, liberale und noch immer lesenswerte Interpretation des niederländischen 17. Jahrhunderts bietet Johan Huizinga, Holländische Kultur im siebzehnten Jahrhundert: Eine Skizze, 2. Ausg., München 2021; Originalsausgabe, Jena, 1933. Der moderne englischsprachige Klassiker ist Jonathan I. Israel, The Dutch Republic: Its Rise, Greatness, and Fall, 1477-1806, Oxford, 1995.
  • Ein wunderbarer literarischer Einstieg ins 16. Jahrhundert ist der Roman von Hilary Mantel, Wolf Hall, London, 2009, in deutscher Übersetzung veröffentlicht als Wölfe (Hilary Mantel, Wölfe, übers. v. Christiane Trabant, Köln 2012); siehe dazu auch die gleichnamige BBC-Serie.
  • Ein fast apokalyptischer Einstieg in die Geschichte der französischen Religionskriege ist der Film La Reine Margot (1994) mit in den Hauptrollen Isabelle Adjani als Margot und Virna Lisi als Catharina de’ Medici. Wie der Deutsche Titel Die Bartholomäusnacht besagt, erzählt der Film die Geschichte des Massakers an den französischen Protestanten, den Hugenotten, das am 24. August 1572 begann.
  • Für das 17. Jahrhundert gibt es (unter anderem) den Roman von Rose Tremain, Restoration, London, 1989, in deutscher Übersetzung veröffentlicht als Zeit der Sinnlichkeit (Rose Tremain, Zeit der Sinnlichkeit, übers. v. Elfie Deffner, Berlin 2013). Der Roman wurde 1995 verfilmt.

Downloads

Syllabus zur Vorlesung "Frühneuzeitliche Radikale: Von deutschen Bauern, französischen Freigeistern, englischen Utopien und fliegenden Holländern (1500-1700)" gibt es hier als Download.
Weitere Downloads bei Stud.IP.

Zeit und Ort

Wintersemester 2024/2025, donnerstags, 16:15 - 17:45 Uhr
Ort: KWZ 0.607 (Heinrich-Düker-Weg 14, 37073 Göttingen)

Einführung

Er gilt als Erfinder der Politik schlechthin: der florentinische Humanist, Historiker und Politiker Niccolò Machiavelli (1469-1527). Berühmt und berüchtigt ist die Schrift, die Machiavelli 1513, kurz nach seinem politischen Absturz, verfaßte: Il Principe, oft übersetzt als Der Fürst. Machiavelli analysiert wie Fürsten und Politiker ihren stato (ihren ‚Stand‘ und Status) und ihre Macht erhalten können. Er lehrt, wie Politik tatsächlich funktioniert, wie die politische Realität ist. Nicht wie sie moralphilosophisch sein sollte. Nach der Veröffentlichung wurde Il Principe direkt zum skandalösen Bestseller. Die Schrift ist es bis heute geblieben. Machiavellis realistische Analyse der Machtpolitik ist unübertroffen.

Auch in seiner zweiten großen politischen Schrift, den Discorsi, zeigt Machiavelli sein Talent zu kühlem Machtkalkül. Hier geht es ihm aber nicht um den Machterhalt einzelner Fürsten, sondern um die Frage, wie eine (Stadt)Republik wie Florenz ihre Freiheit und Unabhängigkeit behaupten kann. In einem Dialog mit dem römischen Historiker Livius, das heißt in einer vergleichenden historischen Analyse zwischen seiner eigenen, so geliebten florentinischen Republik und den Republiken der Antike, wie Sparta, Athen und natürlich Rom, gestaltet Machiavelli seine Theorie der republikanischen Freiheit. Er entwickelt seine einflußreichen Ideen über die existentiellen sozialen Konflikte zwischen Elite und Volk, grandi und popolo, und er erforscht, wie eine respublica mixta aristokratische und demokratische Elemente erfolgreich vereinigen sollte. Machiavelli entwickelt da, so argumentiert eine neue Interpretationslinie, eine kritische Theorie des demokratischen Populismus.

Das Seminar erörtert die Kerndebatten, die Machiavelli im historischen Kontext der florentinischen Renaissance angestoßen hat. Es geht, unter anderem, um das Verhältnis zwischen Macht und Moral, um die Bedeutung der Geschichte als ‚Lehrerin‘ der Politik, um die Bedeutung von Fortuna als weibliche kosmologische Kraft, um das Ideal der freien Republik, um die Gestaltungskraft der Bürger, um das Verhältnis zwischen Volk und Elite, um die Kontroversen über den politischen Sinn und, mehr noch, Unsinn der Religion.

Einführende Literatur

  • Ein Klassiker ist die Einführung von Quentin Skinner, Machiavelli, in der Reihe Very Short Introductions, 2. Überarbeitete Ausgabe, Oxford, 2019; Originalausgabe Oxford, 1981.
  • Eine bedeutende Neuinterpretation zur Thematik Machiavelli und Demokratie bietet John McCormick, Machiavellian Democracy, Cambridge, 2011. Im Suhrkamp Verlag erschien eine Übersetzung seiner neueren Essais: John McCormick, Machiavelli und der populistische Schmerzensschrei. Studien zur politischen Theorie, Berlin, 2023.
  • Ganz neu ist die Einführung des italienischen Gelehrten Gabriele Pedullà, On Niccolò Machiavelli, New York, 2023.
  • Eine rezente deutschsprachige Biographie bietet Volker Reinhardt, Machiavelli: oder Die Kunst der Macht. Eine Biographie, 2., durchgesehene Auflage, 2022, München, 2022.
  • In Übersetzung vorhanden ist die Biographie von Maurizio Viroli, Das Lächeln des Nicoló. Machiavelli und seine Zeit, Zürich/München, 2000.
  • Eine knappe Einführung in die florentinische Geschichte des 15. Jahrhunderts, mit dem Aufstieg der Medici im Zentrum der Analyse, bietet Volker Reinhardt, Die Medici. Florenz im Zeitalter der Renaissance, erschienen in der Beck Reihe Wissen, 6. durchgesehene Auflage, München, 2022.
  • Ausführlicher sind die großen Übersichtsstudien von John M. Najemy, A History of Florence, Oxford, 2006, und John M. Najemy, Machiavelli’s Broken World, Oxford, 2022.

Die Schriften Machiavellis

  • Il Principe/Der Fürst: Der Zugriff auf die von Enno Rudolph herausgegebenen zweisprachigen Ausgabe aus 2019 gibt es über die SUB: Der Fürst: Italienisch – Deutsch, übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Enno Rudolph, unter Mitarbeit von Marzia Ponso, Philosophische Bibliothek Band 706, Hamburg, 2019: https://meiner-elibrary.de/book/932/der-furst
    Der Reclam Verlag hat ebenfalls eine sehr preiswerte zweisprachige Ausgabe veröffentlicht. Dann gibt es die hier benutzte Ausgabe, erschienen im Insel Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig, 2001. Die Übersetzung ist von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, Nachwort von Horst Günther.
  • Discorsi/Diskurse: Als Insel Taschenbuch gibt es ebenfalls Machiavelli, Discorsi: Staat und Politik, übersetzt von Friedrich von Oppeln-Bronikowski. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Horst Günther, Frankfurt am Main/Leipzig, 2000. Diese Ausgabe wird hier benutzt.
    Eine andere gute Ausgabe, erschienen im Alfred Kröner Verlag in der Übersetzung von Rudolf Zorn, ist Discorsi: Gedanken über Politik und Staatsführung, 3. verbesserte Edition, Stuttgart, 2007.

Downloads

Syllabus zum Masters Seminar "Machiavelli und die Florentinische Renaissance" gibt es hier als Download.
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Vergangene Lehrveranstaltungen

Wintersemester 2023/24
  • Vorlesung: Revolutionen an der Nordsee: Calvinismus, Kapitalismus und Kunst in England und den Niederlanden, 1500-1700
  • Masterseminar: Theorien des Kolonialismus (1600-1800): Hugo Grotius, John Locke und James Madison
Wintersemester 2022/23
  • Vorlesung: Revolutionen an der Nordsee: Kalvinismus, Kapitalismus und Kunst in England und den Niederlanden, 1550-1700
  • Masterseminar: Theorien des Kolonialismus (1600-1800): Hugo Grotius, John Locke und James Madison
Wintersemester 2021/22
  • Vorlesung: Tudors und Stuarts, Parlamentarier und Pamphletisten: England, Irland und Schottland während der Frühen Neuzeit
  • Seminar: Zwischen Deutscher Bildung und Bergen-Belsen: Eine Kulturgeschichte der Tagebücher von Anne Frank
Sommersemester 2021
  • Vorlesung: Der Europäische Kolonialismus: Spanien und Portugal, England und Schottland, Holland und Seeland
Wintersemester 2020/21
  • Vorlesung: Der Europäische Kolonialismus: Spanien und Portugal, England und Schottland, Holland und Seeland
  • Seminar: Der Europäische Sklavenhandel: Kontroversen über Sklaverei und Freiheit, Unrecht und Restitution
Wintersemester 2019/20
  • Vorlesung: Eine Globalgeschichte der Niederlande: Republik, Kolonialmacht und europäischer Kleinstaat (1500-2000)
  • Seminar: Rembrandt: Der Künstler, seine Gesellschaft und seine Religion, 1600-1700
Wintersemester 2018/19
  • Vorlesung: Von Machiavelli bis Madison: Republiken und Republikanismus in der Frühen Neuzeit, 1500-1800
  • Seminar: Der lange Krieg der Niederlande in Europa und Asien. Erfahrungen und Erinnerungen von 1940 bis heute
Wintersemester 2017/18
  • Vorlesung: Religion, Tyrannei und Toleranz in Europa: Von Luther bis Locke, 1500-1700
  • Seminar: Wir und die Anderen Die Geschichte der Menschenrechte, 1530-2017
Wintersemester 2016/17
  • Vorlesung: Macht und Malerei in der Frühen Neuzeit: Politische Bilder von der Italienischen Renaissance bis zur Französischen Revolution
  • Seminar: Utopia und der Humanismus: Erasmus, Thomas More, Karl V. und Henry VIII.