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Press release: Schutz des Regenwalds auch ökonomisch wertvoll
No. 112 - 19.07.2023
Forschende vergleichen reale Waldverluste mit simulierten landwirtschaftlichen Entscheidungen
(pug) Die Vernichtung des Regenwalds bedeutet nicht nur Verlust von Biodiversität, sondern auch hohe soziale Kosten durch die Freisetzung von Treibhausgasen. Die tropischen Wälder binden den Kohlenstoff aus der Atmosphäre und tragen so zur Regulierung des globalen Klimas bei. Durch den Verlust von Baumbeständen zugunsten landwirtschaftlicher Aktivitäten wird CO2 freigesetzt, was den Klimawandel beschleunigt. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM) und mit Beteiligung der Universität Göttingen hat mit einem neuen Ansatz Veränderungen der Waldverluste quantifiziert und deren ökonomische Auswirkungen ermittelt. Das Fazit: Bisherige Regenwaldschutzmaßnahmen haben einen großen ökonomischen Wert und sparen der Weltgemeinschaft Milliarden Euro. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Sustainability erschienen.
Die internationale Gemeinschaft diskutiert intensiv, wie man Waldverluste reduzieren kann. Ob aber bisherige Waldschutzmaßnahmen wie Gesetzesänderungen effektiv waren, ist schwer zu beurteilen. Man benötigt zum Vergleich eine Referenzlinie, die erwartete Waldverluste ohne den Einfluss von Waldschutzmaßnahmen abbildet. Solche Referenzen werden bislang aus statistischen Modellen abgleitet. Doch nun führten die Forschenden erstmals eine Simulation von Entwaldungsentscheidungen durch, die auf rein wirtschaftlichen Interessen basiert. Dabei führten simulierte landwirtschaftliche Entscheidungen in Brasilien, der Demokratischen Republik (DR) Kongo und Indonesien zu einer unabhängigen Referenzlinie. Diese verglichen sie mit tatsächlichen Waldverlusten, die sie aus Satellitendaten ermittelt hatten. Es zeigten sich deutliche Trends: Im Bezug zum Referenzwert gab es zeitweise deutlich weniger Waldverlust nach Gesetzesänderungen zum Waldschutz (Brasilien) und strengeren Kontrollen (Indonesien), aber auch erhöhte Waldverluste nach Wahlversprechen (Indonesien) und während bewaffneter Konflikte (DR Kongo).
Das neue Berechnungsmodell berücksichtigt auch eingesparte und zusätzliche CO2-Emissionen. Das Gas ist ein Treiber für die weitere Erderwärmung. Diese führt zu steigenden Meeresspiegeln, häufigeren Wetterextremen und gesundheitlichen Problemen, was wiederum mit Vermögens- und Infrastrukturschäden sowie mit landwirtschaftlichen Ertrags- und Ernteverlusten einhergehen kann. Die geschätzten zukünftigen Schäden gelten als soziale Kosten des Kohlenstoffs. Vermiedene Waldverluste reduzieren diese Kosten und repräsentieren damit einen sozialen Wert. Die Forschenden verarbeiteten in ihren mathematischen Modellen Daten aus den Jahren 2000 bis 2019. Weil die vermiedenen Waldverluste in Brasilien und Indonesien zeitlich vor den erhöhten Waldverlusten in Indonesien und der DR Kongo lagen, konnten die Forschenden mit ihrer dynamischen Bewertungsmethode einen hohen sozialen Wert der reduzierten Entwaldung nachweisen. Es zeigte sich, dass vermiedene Schäden immer wertvoll sind, selbst wenn ein zukünftiges Verlustrisiko für den Wald besteht.
„Den sozialen Wert der zeitweisen Verminderungen der Waldverluste in Brasilien und Indonesien beziffern wir in unserem Modell mit 92,2 Milliarden Euro,“ erläutert Prof. Dr. Thomas Knoke von der Abteilung Waldinventur und nachhaltige Nutzung der TUM. „Waldschutzmaßnahmen, auch solche mit einem eher kurzzeitigen Effekt, haben immer einen wirtschaftlichen Wert. Jede Tonne CO2, die durch die tropischen Bäume gebunden wird, mindert die Auswirkungen des Klimawandels und verringert ökonomische Schäden in der Zukunft.“
Prof. Dr. Carola Paul von der Abteilung Forstökonomie und nachhaltige Landnutzungsplanung der Universität Göttingen stellt die positiven Auswirkungen des Regenwaldschutzes heraus: „Zeitlich begrenzte Erfolge beim Waldschutz sind auf Dauer natürlich nicht ausreichend. Unsere Studie ermutigt jedoch insofern, dass jeder Schutz von Tropenwald auch ökonomisch wertvoll ist. Bemerkenswert ist, dass der soziale Wert der Klimaregulation durch Waldschutz die privaten ökonomischen Vorteile der Waldrodung übersteigt.“
Originalveröffentlichung: Thomas Knoke et al. Trends in tropical forest loss and the social value of emission reductions. Nature Sustainability (2023). DOI: 10.1038/s41893-023-01175-9
Kontakt:
Prof. Dr. Carola Paul
Georg-August-Universität Göttingen
Abteilung Forstökonomie und nachhaltige Landnutzungsplanung
Büsgenweg 1, 37077 Göttingen
Telefon: 0551 39-26762
E-Mail: carola.paul@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/prof.+dr.+carola+paul/588671.html