Bilderwelten – Vom farbigen Abglanz der Natur
So alt wie die Naturforschung ist auch ihr Bemühen, die Natur bildlich darzustellen. Geben diese Bilder die Wirklichkeit als solche wieder oder besitzen sie eine eigene, sich davon ablösende Realität? Schon in ästhetischer Hinsicht sind Naturdarstellungen oft mehr als bloße wissenschaftliche Dokumentationen, zudem sollen sie in der Regel nicht den Einzelfall, sondern das Prinzipielle darstellen. Bilder in den Naturwissenschaften sind daher stets auch Interpretationen, Schematisierungen und Idealisierungen, oft genug sogar Ideologisierungen des Gesehenen.
Solche Aspekte haben heute mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten der computergestützten Bilderzeugung und -bearbeitung eine immer größere Bedeutung erhalten. Vor allem lassen sich nun leicht naturwissenschaftliche Daten von Dingen, die unserer optischen Einsicht nicht unmittelbar zugänglich sind – man denke an Hirnprozesse, atomare Strukturen oder kosmologische Phänomene – für das menschliche Sehvermögen aufbereiten und in beeindruckender Farbigkeit und Schönheit darstellen. Damit wächst die Gefahr, daß das wissenschaftliche Anliegen in den Hintergrund gedrängt wird oder gar in Mißkredit gerät. Diese Thematik soll in einem geistes- und kulturwissenschaftlichen Zusammenhang behandelt werden.
Am Anfang steht die Frage, was wir, eingeschlossen in dem kategorialen Gefängnis unserer Sinne, überhaupt zu erkennen vermögen. Deshalb sind die ersten Vorträge Kant und Goethe gewidmet, wobei die Schlußverse des »Faust II«-Eingangsmonologs als Motto über der Reihe stehen: Mit den Worten »Am farbigen Abglanz haben wir das Leben« wendet sich der vom Sonnenglanz geblendete Faust dem Regenbogen zu. Er ist darin dem Wissenschaftler vergleichbar, der auch nur einen Abglanz der Dinge, nicht aber deren Wirklichkeit vor Augen hat und sich bemühen muß, hinter diesem Schleier die Wahrheit zu erkennen.
Trotz aller kategorialer Einschränkungen ist der naturwissenschaftliche Pfad zur Naturerkenntnis und deren Versinnbildlichung keineswegs ein Irrweg. Aber er fährt nur von einer Seite an die Natur heran, und deshalb sollte man auch nach anderen Zugängen suchen. Literatur und Philosophie stehen am Anfang der Vorlesungsreihe, Malerei und Musik werden sie beschließen. Den nicht geringen Anspruch der Kunst hat Franz Marc mit nachdenkenswerten Worten formuliert, die auch für die Bildfindungen der Naturwissenschaften, die immer weiter in die jenseits unserer unmittelbaren Erfahrung liegenden Welten vordringen, gelten können: »Man hängt nicht mehr am Naturbilde, sondern vernichtet es, um die mächtigen Gesetze, die hinter dem schönen Schein walten, zu zeigen.« Freilich, ob in der Kunst oder in den Naturwissenschaften, auch jene mächtigen Gesetze sind von schönem Schein umgeben. Vielleicht, weil wir sie so sehen wollen und dies nicht anders können.
Ort der Veranstaltungen ist die Aula am Wilhelmsplatz 1. Sie beginnen jeweils am Dienstag um 18 Uhr c.t..